Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
blinzelte verwirrt. Bei Komplimenten fühlte sie sich stets unangenehm berührt, weil sie nie wusste, ob sie ernst oder nur als geschmackloser Scherz gemeint waren. Da sie eine Rüstung trug, traf wohl Letzteres zu.
„Der Dank meines Landes sei Euch gewiss“, gab sie deshalb kühl zurück und hob fragend eine Augenbraue. „Nun? Wie sieht es mit den Verletzungen aus?“ Kasim lachte freundlich. „Wie ich sehe, ist Euch meine Offenheit unangenehm.“ Oder Euer Hohn , fuhr es ihr unvermittelt durch den Sinn. Wenn sie nur halb so zerschlagen aussah, wie sie sich fühlte, war dieser Mann entweder blind oder nicht ganz bei Sinnen.
Kasim verneigte sich, während er seine Hand über Kinn, Nase und Stirn bewegte. „Darf ich mich vorstellen? Kasim Mohammed Abdallah el Raschid. Zu Euren Diensten.“
„Großer Gott, ich wusste gar nicht, dass ein Mensch so viele Namen haben kann“, entfuhr es Valandra erstaunt. Doch dann erinnerte sie sich wieder an ihre Manieren und stellte sich ihrerseits vor. „Dein Herr erklärte, dass einige seiner Männer der Pflege bedürfen. Ich möchte die Verwundeten sehen, um mir selbst ein Bild machen zu können.“
Kasim deutete auf einen der Ställe. „Sie sind dort untergebracht. Und Ranulf ist nicht mein Herr, sondern mein Eigentum.“
„Euer Eigentum?“
Er schenkte ihr ein jungenhaftes Grinsen. „Tja, wie ich immer zu sagen pflege: Allah war ihm gnädig und schenkte ihm den tapfersten, klügsten und ruhmreichsten Ritter, um sein Leben zu retten. Ob es mir nun gefällt oder nicht, ich bin für diesen verdrießlichen Riesen verantwortlich.“
In seiner Stimme schwang so viel Sympathie und Zuneigung mit, dass sie die harten Worte Lügen strafte und Valandra ein kleines Lächeln entlockte. „Ihr habt Eure ungeheuere Bescheidenheit vergessen. Ihr seid nicht nur tapfer, ruhmreich und klug, sondern auch noch ungemein bescheiden.“
Erneut entblößte Kasim eine Reihe strahlend weißer Zähne. „Bescheidenheit ist die Strafe der minderen Individuen. Darüber bin ich weit erhaben.“
Diesmal erreichte Valandras Lachen sogar ihre Augen. Sie mochte diesen Kerl. „Bitte vergebt mir meine Unwissenheit.“
Die nächste Stunde verbrachte Valandra in Kasims Gesellschaft. Er stellte sie den Männern vor und half ihr, alles Nötige für die Unterkünfte der Soldaten in die Wege zu leiten. Die Zeit verging wie im Flug, und Valandra war selbst erstaunt, wie sehr sie Kasims eigentümlichen Humor genoss. Sie fühlte sich in der Tat so unbeschwert wie seit ewigen Zeiten nicht mehr.
Es tat ihr beinahe Leid, als der Duft von frischem Brot, gebratenem Fasan und Gemüse sie zwang, ihn in die grosse Halle zu führen. Hier hatten Bedienstete eilig mehrere Tische und Bänke aufgestellt und eilten emsig umher, um alles für das Abendmahl vorzubereiten.
Derweil stand Ranulf de Bretaux mit einem Weinkelch in der Hand vor dem Kamin und war drauf und dran, einen Mord zu begehen. Sein Kiefer malmte vor Ungeduld. Einerseits bewunderte er Lady Eleanora für ihre Hartnäckigkeit, doch andererseits hätte er ihr am liebsten den blassen Hals umgedreht, nur um sie endlich zum Schweigen zu bringen. Es war wirklich erschreckend! Diese Frau konnte reden, ohne jemals Luft zu holen. Allein diese Tatsache war für einen wortkargen Mann wie ihn unfassbar, das gewünschte Thema glich jedoch der reinsten Folter.
Ranulf fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und wünschte sich weit fort in eine blutige Schlacht. Seit einer geschlagenen Stunde versuchte Lady Eleanora mit aller Gewalt, ihn in ein Gespräch über abendländische Garderobe zu verwickeln.
Verdammt noch mal, er war ein Krieger! Was kümmerte es ihn, was arabische Frauen trugen? Schwerter, Rüstungen und Pferde waren seine Welt.
Frauenkleider interessierten ihn nur, wenn es darum ging, sie auszuziehen.
Er blickte sich unauffällig nach Kasim um. Wo, zum Teufel, steckte dieser Kerl, wenn man ihn mal brauchte?
Er entdeckte ihn an der Seitentreppe, und sogleich verengten sich seine Augen, als er die junge Hausherrin an seiner Seite gewahrte. Sie trägt noch immer diese alberne Rüstung , dachte Ranulf verächtlich und beobachtete, wie sie über einen von Kasims Scherzen lachte. Ihr helles Lachen drang wie Hohn an sein Ohr.
Allein ihr Anblick genügte, um seinen Zorn von neuem zu entfachen. Sie trug an allem die Schuld. Wenn sie den Anstand besessen hätte, als Mann zur Welt zu kommen, säße er jetzt nicht in dieser Klemme. Er hätte den Proviant und das
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