Im Zwiespalt der Gefuehle

als ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoß. Wenn Jura seinen Schwur nicht verstand, dann konnte sie auch nicht begreifen, daß er die Ehe nicht vollzog!
    Brita legte ihre Hand auf Rowans Arm. »So stark«, murmelte sie. »Im Bett werden wir uns gut verstehen. Es stimmt doch alles bei Euch, oder? Euch mißfällt nur Eure Frau, oder sagen Euch Frauen im allgemeinen nicht zu? «
    Rowan blinzelte Brita zu. »Ich bin in der Lage, eine Frau zufriedenzustellen«, erwiderte er.
    »Keine Verletzungen? Vielleicht bei Euren englischen Turnieren? «
    »Nein«, antwortete Rowan leise. »Keine Verletzungen. « Er wollte sie korrigieren und sagen, daß er Lankonier sei. Aber plötzlich fühlte er sich mehr wie ein Engländer. Schließlich hatte er einen englischen Schwur gegenüber einer lankonischen Frau geleistet.
    Brita plapperte weiter, doch Rowan hörte ihr nicht zu. Nur zu gern wäre er jetzt zu Jura gegangen, um mit ihr zu reden. Aber er wagte es nicht, Brita zu verärgern. Jura und er waren zwei Irial, umgeben von einer Unmenge Vatells.
    Rowan war nicht so dumm, ihre Anführerin zu reizen.
    Gegen Mittag rasteten sie und aßen etwas. Den jungen Männern und Frauen der Vatell wurden Brot und Wasser gegeben, während Rowan und Brita ein Festmahl auf einem weißen Tischtuch serviert wurde. Rowan bekam kaum einen Bissen hinunter. Er hielt nach Jura Ausschau, aber sie war nirgendwo zu entdecken.
    Nach dem Essen entschuldigte er sich so, als ob er einen kleinen Spaziergang im Wald machen wollte. Aber als er sich im Wald befand, fiel er auf die Knie und betete.
    »Du hast mir geholfen, Gott«, flüsterte er kaum hörbar. »Und jetzt benötige ich erneut deine Hilfe. Ich erbitte deine Vergebung, Herr. Ich bin nur ein Mensch, ein einfältiger Mann, der dumme Fehler macht, und jetzt ist mir ein solcher Fehler unterlaufen. Ich habe dir geschworen, daß ich mein Weib nicht berühren würde, ehe sie mich darum bittet. Aber ich habe auch geschworen, sie zu lieben, zu ehren und für sie zu sorgen, bis daß der Tod uns scheidet.
    Ich kann nicht beide Schwüre halten, Herr. Also bitte ich dich: Entbinde mich von meinem törichten ersten Schwur, der von einem zornigen Knaben getan wurde — nicht von einem Mann, der König sein will. Herr, ich bitte dich demütig. Ich will Buße tun. Ich werde über dieses Land herrschen, so gut es mir möglich ist. Ich werde sogar die Ulten zum Christentum bekehren. Aber bitte — erlöse mich von diesem kindischen Eid. «
    Als Rowan sein Gebet beendet hatte und die Augen aufschlug, war es im Wald unnatürlich ruhig. Dann hörte er zu seiner Rechten ein Geräusch. Ein Ast knackte.
    Jura stand mit gezücktem Messer da und wartete auf. ihn. »Ach, Ihr seid es«, sagte sie und wischte ihr blutiges Messer im Gras ab.
    »Was machst du hier? « fragte er und lächelte ihr zu. Er war sehr froh, sie zu sehen. Ihr blutiges Messer schien ihm weniger gefährlich als Britas glitzernde Augen und ihre schier unendlichen Geschichten über ihre eigene Person.
    »Ich habe sechs Kaninchen getötet, um sie heimlich diesen Bauern zu bringen. « Sie stand aufrecht vor ihm und sah ihn an. »Wollt Ihr etwa Brita von meiner Untat berichten? Diese Wälder gehören ihr, und gewöhnlich hängt sie Wilderer auf. «
    »Ich werde ihr nichts erzählen«, erwiderte er und lächelte, als Jura die Kaninchen in einen Beutel stopfte.
    »Warum lächelt Ihr? Freut Ihr Euch schon so sehr auf Eure Heirat mit Brita? «
    Rowan streckte den Arm aus und zog sie an sich. Schon lange hatte er sie nicht mehr im Arm gehalten. Sie war die Versuchung in Person, und er wußte, daß er seinen Schwur vergessen würde, wenn er sie berührte. »Du bist Gottes Antwort«, meinte er. »Ich habe Gott gebeten, mich von meinem Schwur zu entbinden. Und hier bist du. Allein. Bei mir. Du bist die Antwort auf mein Gebet. «
    Sie schlug nach ihm. »Ihr seid verrückt. Außerdem scheint Ihr eine außergewöhnlich innige Beziehung zu Gott zu haben. Unterhält er sich nachts mit Euch? Oder vielleicht seht Ihr ihn ja ab und an? «
    Rowan lachte leise und drückte sie fest an sich. »Mein Schwur ist gelöst, Jura. Jetzt können wir Mann und Frau sein. «
    Sie wurde still in seinen Armen. Dann hob sie den Kopf, um ihn anzuschauen. »Ihr werdet Brita und ich werde Daire heiraten. «
    »Du darfst Daire nicht heiraten. Ich kenne das Gesetz jetzt ebenso wie du. Wolltest du Lankonien nützen, indem du mich freigibst, oder wolltest du nur aus unserer Ehe flüchten? « Er küßte