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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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silbergraues Haar ölig glänzte. Die Zeitungen vor ihm enthielten vermutlich Artikel über Albert Burke und seine Entdeckung. Dowd erkannte den
    ›Professor‹ aufgrund der Beschreibungen seines Herrn: es war Hubert Shales, von Godolphin ›Faultier‹ genannt. Er sprach und bewegte sich mit der übertriebenen Besonnenheit eines 77

    Theologen, der sich in der Nähe des Teufels glaubt.
    »Sie wissen, warum Sie hier sind?« fragte er.
    »Er weiß es«, sagte Bloxham.
    »Gibt es ein Problem in Hinblick auf Mr. Godolphin?« fragte Dowd.
    »Er ist nicht hier«, meinte eine der beiden Frauen, die rechts von Dowd saßen: das Haar schwarz gefärbt, das Gesicht hohlwangig und eingefallen. Alice Tyrwhitt. »Darin besteht das Problem.«
    »Ich verstehe«, entgegnete Dowd.
    »Wo steckt er, zum Teufel?« brummte Bloxham.
    »Er ist auf Reisen«, erklärte Dowd. »Ich nehme an, er hat nicht mit einer Versammlung gerechnet.«
    »Ebensowenig wie wir«, sagte Lionel Wakeman, die Wangen vom Scotch gerötet. Eine Whiskyflasche ruhte in seiner Armbeuge.
    »Wohin ist er gereist?« erkundigte sich Tyrwhitt. »Wir müssen ihn unbedingt finden.«
    »Das weiß ich leider nicht«, antwortete Dowd. »Er verhandelt mit vielen ausländischen Geschäftspartnern.«
    »Beschäftigt er sich auch mit ehrenhaften Angelegenheiten?« lallte Wakeman.
    »Er hat einige Niederlassungen in Singapur«, erwiderte Dowd. »Und in Indien. Möchten Sie, daß ich ein Dossier vorbereite? Mr. Godolphin hätte bestimmt nichts dage...«
    »Zum Teufel mit dem Dossier!« heulte Bloxham. »Wir wollen ihn hier haben! Und zwar sofort!«
    »Ich bedauere, aber Mr. Godolphins derzeitiger Aufenthaltsort ist mir, wie gesagt, unbekannt. Vermutlich befindet er sich irgendwo im Fernen Osten.«
    Die strenge, aber nicht reizlose Frau links von Wakeman drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. Dowd nahm an, daß es sich um Charlotte Feaver handelte, die ›Unzüchtige‹, wie Oscar sie nannte. Mit ihrem Tod starb die Familie 78

    Roxborough aus, hatte Godolphin betont. Es sei denn, sie schaffte es irgendwie, eine ihrer Freundinnen zu schwängern.
    »Dies ist kein verdammter Club, den er besuchen kann, wann's ihm beliebt«, warf Charlotte ein.
    »Ja«, pflichtete ihr Wakeman bei. »Was denkt sich der Kerl eigentlich?«
    Shales griff nach einer der Zeitungen und schob sie in Dowds Richtung.
    »Vermutlich haben Sie gelesen, daß man in Clerkenwell eine Leiche fand.«
    »Ja. Ich erinnere mich daran.«
    Shales zögerte einige Sekunden lang, und der Blick seiner Spatzenaugen huschte von Gruppenmitglied zu Gruppenmitglied. Welches Thema auch immer er anschneiden würde - man hatte alles bereits ausführlich erörtert.
    »Wir haben Grund zu der Annahme, daß der Mann namens Chant nicht aus dieser Domäne kam.«
    »Wie bitte?« Dowd gab sich verwirrt. »Was meinen Sie mit Domäne?«
    »Sie brauchen hier nicht den Diskreten zu spielen«, sagte Charlotte Feaver. »Sie wissen ganz genau, was wir meinen.
    Seit fünfundzwanzig Jahren arbeiten Sie für Oscar, und bestimmt haben Sie in dieser Zeit das eine oder andere in Erfahrung gebracht.«
    »Ich weiß nur wenig«, wandte Dowd ein.
    »Aber Ihnen dürfte klar sein, daß ein Jahrestag bevorsteht«, ließ Shales vernehmen.
    Meine Güte, dachte Dowd. Diese Leute sind nicht so dumm, wie sie aussehen.
    »Sprechen sie von der Rekonziliation?« vergewisserte er sich.
    »Sie haben's erfaßt. Im kommenden Sommer...«
    »Müssen wir ihm gleich alle Einzelheiten nennen?« warf Bloxham ein. »Er weiß bereits zuviel.«
    79

    Shales ignorierte diesen Hinweis und holte gerade tief Luft, um seinen Vortrag fortzusetzen, als eine andere Stimme erklang. Sie stammte von der massigen Gestalt, die außerhalb des Lampenscheins saß. Dowd hatte bereits darauf gewartet, daß sich dieser Mann zu Wort meldete. Wenn es im Kreis der Tabula Rasa einen Anführer gab, so war er es: Matthias McGann.
    »Hubert? Wenn Sie gestatten?«
    »Natürlich«, murmelte Shales.
    »Mr. Dowd...«, begann McGann. »Zweifellos ist Oscar Ihnen gegenüber indiskret gewesen. Wir alle haben unsere Schwächen, und Sie sind seine. Niemand von uns erhebt Vorwürfe gegen Sie, nur weil Sie aufmerksam zuhören. Wie dem auch sei: Unsere Gruppe hat eine ganz spezielle Aufgabe, die wir nun mit dem erforderlichen Ernst wahrnehmen müssen.
    Die Details brauchen Sie nicht zu kennen. Wie Giles eben sagte: Sie wissen bereits zuviel. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang folgende Bemerkung: Wir bringen

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