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Immer wenn er mich berührte

Immer wenn er mich berührte

Titel: Immer wenn er mich berührte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gehirn hörte auf zu denken.
    Aber bevor er völlig betrunken war, stellte er dem Barmixer die gleiche Frage wie dem Portier: »Sie kennen nicht zufällig einen Herrn Siebert?«
    »Doch«, antwortete der Mann, »das ist der Berliner. Er hat mit der kleinen Blonden, die bei uns im Hotel wohnt, einen langen Abend hier gesessen. Netter Kerl übrigens.«
    »Ja, sehr netter Kerl«, wiederholte Dr. Haller mit schwerer Zunge. »Die beiden haben sich wohl ziemlich gut gekannt, nicht wahr?«
    Die Antwort des Barmixers machte Haller mit einem Schlag nüchtern: »Nee, die haben sich gar nicht gekannt. Die haben sich hier erst kennengelernt.«
    Stephan schüttelte den Kopf. »Vielleicht meinen wir nicht die gleiche Dame …«
    »Ich meine Fräulein Laurent«, sagte der Barmixer. Haller beugte sich über die Theke. »Wollen Sie etwa behaupten, die beiden hätten sich nicht mal geduzt?«
    »Das behaupte ich nicht nur, das weiß ich.« Der Mann blickte ihn plötzlich mißtrauisch an. »Ich lasse mich ungern über meine Gäste aushorchen. Aber was die beiden anbelangt, wenn Sie es schon direkt hören wollen: die hatten bestimmt nichts miteinander.«
    Jetzt war er stocknüchtern. Aber dafür wieder völlig aus dem seelischen Gleichgewicht. Und in seiner Magengrube spürte er einen leichten Druck. Sollte Janine ihren eigenen Mann nicht erkannt haben?
    Und wenn ja – warum hatte sich Jürgen Siebert nicht zu erkennen gegeben?
    Was, zum Teufel, wurde hier gespielt?
    Dr. Haller verlangte seine Rechnung, verzichtete auf das Kleingeld und stürzte in die Nacht hinaus.
    Er hatte es eilig. Zu eilig, um weiterhin zu Fuß zu gehen. Er rief ein Taxi, ließ sich auf den Rücksitz fallen.
    »Zum Bayerischen Hof«, sagte er.
    Die Nacht war dunkel. Keine Sterne, kein Mond … nur ein düsterer, wolkenverhangener Himmel. Die Rückfront der Westphalschen Villa war ebenfalls dunkel. Aus keiner Ritze drang ein Lichtschimmer ins Freie.
    »Du kannst dich nicht verirren«, sagte Gaby zu ihm, »du gehst diese Tannenhecke entlang bis zum Zaun. Dort stößt du auf eine kleine Tür, sie ist offen. Fünfzig Meter geradeaus stehen zwei Buchen, dort beginnt der Steig …«
    »Gut«, unterbrach sie Jürgen. »Ich finde es dann schon.«
    »Der Steig ist ziemlich abschüssig, du mußt aufpassen, daß du nicht ausrutschst. Durch einen Sturz sind Leute sogar schon aus der Narkose aufgewacht.«
    »Noch etwas?« fragte er atemlos.
    »Ja«, flüsterte Gaby, »laß dich nicht täuschen. Zuerst kommt das Altwasser. Da mußt du noch drüber hinweg, dann stehst du direkt am Steilufer.«
    Gaby stand im Türrahmen. Aber es war so finster, daß er nur mit Mühe ihre Umrisse ausmachen konnte.
    »Ich warte hier auf dich.«
    Das war das letzte, was er hörte. Die Tür schnappte ins Schloß. Langsam setzte er sich in Bewegung, Schritt für Schritt die Tannenhecke entlang. Der Schnee war nun endgültig verschwunden. Der weite Rasen sah grau und schimmelig aus. Der Wind trieb altes Laub darüber.
    Er mußte Janine ins Gesicht sehen, in das blasse, schlafende Gesicht, das an seine Brust gebettet lag. In dieser verdammten Minute dämmerte ihm eine alte Erinnerung auf: wie er sie in ihrer ersten Wohnung über die Schwelle getragen hatte. Fast genauso hatte er sie da in den Armen gehalten. Und ihre Worte wußte er auch noch. Gelacht hatte sie dazu: Ich fürchte, es ist das einzige Mal, daß du mich auf deinen Armen irgendwohin trägst.
    Nein, es war nicht das einzige Mal. Jetzt trug er sie noch einmal. Und sie war noch genauso leicht wie damals. Es war keine Schwierigkeit, sie fortzutragen.
    Gar keine Schwierigkeit.
    Daß ihm der Schweiß jetzt in Strömen übers Gesicht lief, daß ihn Übelkeit überfiel, daß ihm der Ekel hochstieg, das hatte mit ihrem Gewicht wirklich nichts zu tun.
    Aber Jürgen biß die Zähne aufeinander, bis die Lippen bluteten. In zehn Minuten kannst du wieder da sein, hatte Gaby gesagt. Und er würde in zehn Minuten wieder da sein.
    Jürgen fing zu laufen an. Und er dachte: es muß schneller gehen. Ich muß noch schneller zurück sein.
    Als er durch die kleine Gartentür das Grundstück verließ und die silbrigen Stämme der Buchen schon erspäht hatte, erschrak er über eine Katze fast zu Tode.
    Ein Biest mit roten Haaren, das ihn anfauchte und dann mit glühenden Augen verfolgte. Es schien, als hatte sie vor, ihm nachzuschleichen. Immer, wenn er sich umdrehte, leuchteten die Katzenaugen auf. Er trat mit dem Fuß nach ihr, aber sie ließ sich nicht

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