Immortals After Dark 12 - Lothaire
auszurotten …
Nein. Konzentriere dich.
Er trat an den Rand des schwarzen Wassers, wo er in der Mitte einer Bucht einen alten Unterstand erspähte. Er translozierte sich zu diesem Unterstand, kauerte sich darauf und lauschte nach Dorada.
Bei dem Lärm des zunehmenden Regens vernahm er nur Laute, mit denen an diesem Ort zu rechnen war: Reptilien, die durch den Sumpf glitten, das ein oder andere Kreischen einer Walküre. Als er die feuchte Luft tief durch die Nase einatmete, nahm er eine schwache Spur von Doradas verwester Haut wahr, konnte die Quelle aber nicht genau bestimmen.
Früher hätte er bis zum Morgengrauen hier gewartet, seiner Feindin aufgelauert und sich den bevorstehenden Kampf in allen blutigen Einzelheiten ausgemalt. Jetzt war er ungeduldig, weil er wusste, dass seine Gedanken immer chaotischer werden würden, je länger er von Elizabeth getrennt war.
Ein Blitz zuckte über den Himmel und ließ das Bayou vorübergehend aufleuchten. Überall am Wasserrand leuchteten die reflektierenden Augen von Mythenweltgeschöpfen auf. Doch die, um deretwillen er gekommen war, war nicht darunter.
Wo steckst du, Dorada?
Er hatte keine Zeit, sie zu jagen …
Sein Kopf fuhr herum, als er diesen Geruch erneut witterte. Mit einem Satz translozierte er sich davon, landete am Rande des Bayous und wirbelte einmal um die eigene Achse. Der Geruch schien von allen Seiten zugleich zu kommen.
Dann werde ich eben jeden Quadratzentimeter dieses verfluchten Sumpfs absuchen.
In einer Mischung aus Translokation und Sprint bewegte er sich fort; mal entmaterialisierte er sich, um einem Dornendickicht auszuweichen, dann wieder umrundete er im Laufschritt die Bäume.
Es kam Wind auf, der laut heulend den Regen seitwärts blies und den Geruch zerstreute. Immer noch rannte er weiter, während seine Gedanken nach und nach ein genauso verwirrtes Durcheinander bildeten wie das ihn umgebende Gestrüpp.
Dorada finden. Sie umbringen. Dann wird mich nichts mehr vom Ring ablenken.
Er hatte in Erwägung gezogen, dem Klingenmann seine Schuld zu erlassen, wenn dieser ihm dafür Webbs Aufenthaltsort verriet. Nach allem, was passiert war, musste Chase Webb doch abgrundtief hassen. Immerhin hatte der Commander hinter Chases Rücken den Befehl gegeben, Regin zu »erforschen«.
Aber Lothaire wusste, dass der Klingenmann ihm nichts sagen würde. Er verachtete Lothaire sogar noch mehr als den Mann, der den Befehl gegeben hatte, seiner Frau den Leib aufzuschneiden – während sie bei vollem Bewusstsein war.
Lothaire wich einer Gruppe Zypressen aus und duckte sich unter einem Ast hinweg. Dabei schreckte er ein Rudel Krokodilgestaltwandler und die Nymphen auf, die sich gerade mit ihnen vergnügt hatten. Sobald die Wesen ihn wahrnahmen, schrien sie vor Angst und zerstreuten sich in alle Himmelsrichtungen.
Sie waren ihm nicht mal ein verächtliches Zischen wert. Dieser Geruch … warum konnte er seinen Ursprung nicht finden?
Nein, er würde nicht mit dem Klingenmann verhandeln. Lothaires einzige Hoffnung, seinen Ring wiederzuerlangen, war und blieb es, Chases Erinnerungen zu durchforsten. Doch anstatt von ihnen zu träumen, erlebte er immerzu nur seine eigenen.
In seinem letzten Traum hatte Lothaire die Nacht noch einmal erlebt, in der er endlich Stefanowitsch für Fjodor gefangen genommen hatte – eine halbe Ewigkeit, nachdem Lothaires Folter geendet hatte.
In seiner blinden Wut folterte Lothaire Stefanowitsch stundenlang – tagelang –, ergötzte sich an dessen flehentlichem Betteln um Gnade. Als Fjodor ihm schließlich den Befehl dazu erteilte, erhob Lothaire sein Schwert für den Todesstoß und kam gerade genug zur Ruhe, um zu begreifen, dass das Herz des Königs schlug.
»Blyad’! Er wurde erweckt, Onkel.«
Fjodor wirkte entsetzt. »Dann könnte er insgeheim einen Erben gezeugt haben.« Er drückte Stefanowitsch sein Schwert an die Kehle und bewegte die Klinge hin und her. »Wo ist deine Braut?«
»Sie liegt im Sterben«, krächzte Stefanowitsch mühevoll. Er selbst war kaum noch am Leben. »Wie die anderen.«
Die weiblichen Vampire waren zum größten Teil von einer Seuche befallen. König Stefanowitsch hielt dies für ein derartig beschämendes Anzeichen von Schwäche – Unsterbliche, die einer Krankheit erlagen! –, dass er die Tragödie geheim gehalten und wilde Gerüchte verbreitet hatte.
»Und wo ist dein Erbe?«, fragte Lothaire, der sich schon auf eine Fortsetzung der Folter gefasst machte.
»An einem Ort, wo du ihn
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