In dein Herz geschrieben
hatte nach einem Footballspiel im Radio gesucht, nach einer Sendung, bei der viel gesprochen wurde, nach Stimmen, die ihn wach hielten und ihn auf der Fahrt von Trenton begleiteten. Delilah. Als die Klänge dieses Namens die Dunkelheit des Führerhauses erfüllten, riss er die Hand von den Knöpfen des Radios, als wären sie glühend heiß. Er wollte es gerade abschalten, aus Wut, weil allein dieser Name eine so heftige Reaktion in ihm auslöste. Dann beschloss er jedoch, zu warten, bis er wusste, wer diese Delilah war. Also lauschte er seit einer halben Stunde schmachtenden Liebesliedern und all den Leuten, die anriefen, um dieser Delilah die privatesten Dinge anzuvertrauen. Hector hatte aufrichtiges Mitleid mit diesem Kerl, der schilderte, wie verrückt er nach einer gewissen Kassiererin sei und zwanzig Meilen weit fahre, um seine Lebensmittel bei ihr einzukaufen, aber zu schüchtern sei, um sie anzusprechen. Dieses Mädchen habe ihm sein Herz gestohlen, meinte er, und nun versuche er, es zurückzubekommen. Der arme Teufel. Die Chancen dafür waren praktisch gleich null. Hector musste es schließlich wissen.
Der Sicherheitsgurt rutschte ständig an seiner Schulter hoch, was ihn ganz verrückt machte, doch als er die Hand ausstreckte, um ihn zu lösen, fielen ihm Annie Lauries bettelnde Ermahnungen wieder ein. »Bitte, bitte, Daddy, schnall dich an.« Er ließ die Hand wieder sinken. Bevor das Kind da gewesen war, hatte er sich nie angeschnallt, sich nie an Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten oder einen Gedanken an all das verschwendet. Wenn er nach Hause kam, schlief sie
längst, aber morgen hatte er keine Chartergruppe. Er konnte einen Angelausflug mit ihr machen und ihr für eine Weile das Steuer überlassen. Das würde ihr gefallen. Sie wuchs so schnell heran, und er verpasste so viel davon. Es brachte ihn fast um den Verstand, sie so häufig allein lassen zu müssen, aber wie er immer wieder zu seiner Mutter sagte - ein Mann muss nun mal den Lebensunterhalt verdienen.
Er ließ den Kopf gegen die Nackenstütze sinken und machte ein paar tiefe Atemzüge. Er musste sich entspannen. Eigentlich hatte er vorgehabt, genau das heute Abend bei Stella zu tun. Normalerweise freute sie sich am Abend seiner Rückkehr so sehr, ihn zu sehen, dass sie ihn gleich ins Schlafzimmer zerrte, heute Abend jedoch hatte sie einen ihrer Wutanfälle bekommen. Er betrachte sie als Selbstverständlichkeit, hatte sie ihm an den Kopf geworfen, aber sie sei mehr als nur ein Körper. Er rufe sie nie an und gehe nur mit ihr aus, wenn er etwas wolle. Hector ließ sie toben, wohl wissend, dass jeder Versuch, sie zu beruhigen, sinnlos war. Heute Abend würde er sowieso nichts mehr ändern. In ein paar Tagen hätte sie sich wieder beruhigt, und sie könnten genauso weitermachen wie in den letzten beiden Jahren. Er war ihr gegenüber von Anfang an ehrlich gewesen, hatte ihr gesagt, wie sehr er sich gelegentlich über ihre Gesellschaft freue, doch alles andere, nun ja, sei kein Thema mehr für ihn. Und sie hatte erwidert, es störe sie nicht. Aber manchmal konnte er es in ihren Augen sehen, diesen typisch weiblichen Traum, sie könne ihn vor sich selbst retten, den armen einsamen Matrosen, der einfach noch nicht die Richtige gefunden hatte. Wann immer das geschah, nahm er sich vor, nicht mehr zu ihr zu gehen, denn es war ihr gegenüber nicht fair. Doch am Ende tat er es trotzdem, weil er das Gefühl hatte zu platzen, wenn er nicht irgendwo Dampf ablassen konnte.
Er war völlig erledigt und wollte nur noch nach Hause, ins Bett fallen und mindestens zehn Stunden schlafen. Diesmal
hatte er in Ocracoke nicht gut geschlafen, sondern die meiste Zeit nur dagelegen und an die Zimmerdecke gestarrt. Manchmal stand er auf, ging durch die Stadt und dachte, wie sehr sich doch alles seit seiner Kindheit verändert hatte. Mit jeder Fuhre Touristen, die er auf der Fähre zur Insel brachte, war es, als könne er zusehen, wie das Geld auf die Insel floss, gleichzeitig aber auch, wie seine Heimat von den Besuchermassen fortgespült wurde. Es fühlte sich an, als gehöre er nicht mehr dort hin, außer in manchen Momenten, wenn er sich auf dem Wasser befand. Von Ocracoke nach Cedar Island, weiter nach Bogue Banks und zurück, eine Woche lang, gefolgt von einer Woche, in der er Chartergruppen auf dem Boot herumfuhr - kein Wunder, dass er an manchen Tagen kaum noch wusste, wo er war.
Diesmal zuckte er nicht zusammen, als dieser Name durch den Äther drang. Delilah
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