In deinem Schatten
Party, hatte ihr zwar eine Live-Band versprochen, doch Maddie verließ sich längst nicht mehr auf die Versprechungen ihrer Kunden. Sie nahm
Wind on the Water
heraus. Die Musik war zu laut, um sie im Zug mit ihrem Discman anzuhören, also betrachtete sie nur das unscharfe Bild des schmalen, nachdenklichen Gesichtes auf dem Cover, für das er sich gemeinsam mit einem Kätzchen hatte fotografieren lassen.
Wenn es in dem Haus nicht spukt, ist Phil möglicherweise ein Irrer. Und dann befindet sich Tessa vielleicht in Gefahr. Oder will ich nur deshalb das Schlechteste von ihm denken, weil ich einen Grund suche, zurück in meinen einsamen Garten zu laufen und das Tor hinter mir zuzuwerfen? Halt dich von mir fern, Freundchen, sonst hetze ich meinen Falken auf dich.
Am Bahnhof von Westhampton warteten vier Söhne – und ein Enkel – von Mrs. Buz in einem riesigen Geländewagen auf Maddie, um sie in das Haus ihrer Mutter zu bringen. Maddie packte die CD weg, schob die Gedanken an deren Komponisten energisch beiseite, und der Rest des Abends verflog mit Musik, Geplauder und so viel Lammfleisch und Couscous, dass die gesamte türkische Armee davon satt geworden wäre. Maddie, die in einem grün und gold schimmernden Kostüm auftrat, konnte sich über ein restlos begeistertes Publikum freuen. Die Männer rissen sich darum, mit ihr zu tanzen, ließen Dollarscheine auf sie regnen, wie es die – im Vergleich zu den Amerikanern – ungleich höflichere Art war, einer Tänzerin Geld zu geben, und die Frauen kreischten hinter vorgehaltener Hand.
Wie jede Tänzerin aus Maddies Umfeld bestätigen konnte, musste man bei privaten Partys immer auf alles gefasst sein. Maddie hatte schon auf Geburtstagsfesten und Pensionierungsfeiern getanzt, bei denen man ihr Alkohol und noch Übleres ins Haar gegossen hatte und nach denen sie sich geschworen hatte, nie wieder aufzutreten. Es gab immer Leute, die Tänzerinnen behandelten, als wären sie gerade aus einer Torte gesprungen oder kämen direkt aus irgendeinem Stripclub in Jersey. Wie alle Tänzerinnen, mit denen sie befreundet war, hatte auch Maddie oft genug erlebt, dass sie bei ihrem Auftritt 25 besoffene Männer sowie einen Ghettoblaster statt der großspurig versprochenen “Tonanlage” vorgefunden hatte und sie sich ihr Kostüm in der Speisekammer anziehen musste.
Die heutige Party allerdings war endlich wieder einmal eine von der netten Sorte. Unabhängig von dem Honorar in Höhe von 500 Dollar und noch einmal fast die Hälfte als Trinkgeld hatte Maddie richtig Spaß. Es hatte immer etwas unbeschreiblich Reizvolles an sich, zu Livemusik – die Band spielte mit einem Akkordeon, einem Oud, einer klarinettenartigen Mizmar, einer Doumbek genannten Handtrommel und – und für ein Publikum zu tanzen, das über die Tradition des jeweiligen Tanzes Bescheid wusste und nicht wie die Touristen aus Omaha nur darauf aus war, kreisende Hüften zu sehen. Wie immer spürte Maddie auch heute, wie beim Tanzen ihr Kopf plötzlich frei wurde. Alle Sorgen wegen Phil und Sandy waren wie weggeblasen – und damit auch die Grübelei, ob sie jemals wieder einen Mann lieben und ihm vertrauen konnte. Und wollte.
Die Energien, die den Kosmos regieren, bleiben bestehen
, hatte Diana gesagt
. Es ist unmöglich, dass du etwas versäumst, das für dich bestimmt ist.
In Momenten wie diesen fand Maddie es äußerst plausibel, dass es im Hinduismus Sekten gab, für die die oberste Gottheit des Universums weiblich und eine Tänzerin war.
Als das Fest vorbei war, packten Mrs. Buz und ihre Schwestern Unmengen von übrig gebliebenem Couscous, Kebap, Lokum und Sarigi Burma für Maddie ein und baten sie, es doch “für Ihre kleine Mitbewohnerin und Ihren Freund” – im Laufe des Abends hatte die Gastgeberin Maddie gründlich über Tessa und Phil ausgequetscht – mit nach Hause zu nehmen. “Sie sind zu dünn – zum Tanzen brauchen Sie doch Fleisch auf den Rippen.”
Dann umarmten alle Maddie, drückten ihr noch mehr Trinkgeld in die Hand und setzten sie in den Familienwagen, der sie zum Bahnhof und zum letzten Zug zurück in die Stadt bringen sollte.
Mittlerweile war es Mitternacht und eisig kalt. Es schneite. Es war der 12. Januar, die Nächte waren lang, die Tage kurz, und der Frühling schien endlos weit weg. Das kalte Mondlicht schimmerte fahl zwischen den schnell dahinziehenden Wolkenfetzen hervor. Da der letzte Zug nach New York fast leer war, hatte Maddie Zeit und Ruhe,
Wind on the Water
in ihren
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