In deinen Armen
Wenn du nicht nett bist zu mir, dann gehe ich wieder.«
»Lass lieber mich die Tür aufmachen.«
»Du bluffst doch.« Er sank in den Stuhl. »Harry hat draußen so lange gesucht, bis er die Waffe gefunden hat, und er war wütend. Das ist wirklich ein schöner Morgenmantel. Er lässt dein Haar so … gewellt aussehen.«
»Mein Haar ist gewellt.« Sie fing sich wieder. »Warum war Harry wütend?«
»Weil es sich um ein englisches Gewehr handelt.« Er leerte das Glas mit einem Zug. »Das aus Throckmortons persönlicher Waffensammlung entwendet und nur hergebracht wurde, um damit auf dich zu schießen.«
»Auf mich?«
»Und auf mich auch.«
»Aber Harry weiß nicht, wer geschossen hat«, sagte Enid. »Nein.«
Sie waren also immer noch nicht sicher. »Aber wir wissen immerhin mehr als zuvor. Wir wissen, dass es eine der Wachen gewesen sein muss.«
»Die reisen heute ab. Nur Harry, Kinman und Jackson bleiben hier.«
»Jackson?«, fragte sie überrascht. »Du lässt den Kammerdiener bleiben?«
»Er hat einwandfreie Referenzen von Lord und Lady Featherstonebaugh. Kinman hat mir versichert, dass Jackson sauber ist.« MacLean schaffte es, gleichermaßen mitleiderregend und einnehmend auszusehen. »Und er rasiert so gut.«
Enid betrachtete MacLeans vernarbtes, stoppeliges Gesicht. Natürlich schätzte er Jackson dafür, wie er mit der Rasierklinge umging. »Du solltest dich am besten gleich von ihm rasieren lassen.«
MacLean schwenkte sein Glas. »Kann ich noch etwas Wasser haben?« Als sie sich ihm näherte, ergriff er ihre Finger. »Du hast ein Spitzennachthemd an.«
»Ich habe noch geschlafen, als du aufgetaucht bist.« Eine Lüge, aber was sollte es.
»Ich hab es gesehen, bevor du diesen grässlichen Morgenmantel übergezogen hast. Das Nachthemd ist hübsch.« Er zog sie heran.
Hätte Enid sich nicht gewehrt, er hätte sie auf seinen Schoß gezogen. Sie war erzürnt, dass er sie für so leichtlebig hielt, und entsetzt darüber, wie gerne sie leichtlebig gewesen wäre. »Du kannst mich nicht leiden, erinnerst du dich? Ich bin schließlich Stephens geldgierige Frau.«
»Geldgierig.« Er blickte finster, aber er ließ ihre Hand nicht los. »Aber längst nicht so wie meine Mutter.«
»Deine Mutter?« Lady Bess und geldgierig?
»Sie und ich haben letzte Nacht über die Angelegenheit gesprochen. Sie findet, ich sollte dich heiraten.«
Enid wusste nicht, was denken, wie reagieren. »Da täuscht sie sich. Wir werden niemals heiraten. Du bist nicht klug genug, mir einen Antrag zu machen. Ich bin nicht verzweifelt genug, ihn anzunehmen. Warum hältst du deine Mutter für geldgierig?«
Sein Gesicht verzog sich schmerzlich. »Als ich klein war, war sie eine gute Mutter. Dann hat sie das Andenken meines Vaters in den Schmutz gezogen. Für
Geld.«
Wäre MacLean nicht betrunken gewesen, er hätte nie so offen gesprochen. Aber er war betrunken, und Enid war gerade über den Grund dafür gestolpert, dass MacLean sie so verabscheute. Sie zögerte, wohl wissend, dass es ungebührlich war, ihn über Lady Bess auszuhorchen, aber die Neugier siegte über ihre Vorbehalte. »Was- hat deine Mutter denn getan?«
»Mein Vater war kaum zwei Monate unter der Erde, da ist sie nach Edinburgh und hat sich einen Kaufmann geangelt.« Seine Stimme bebte vor Abscheu. »Er war alt, völlig ungehobelt und sehr reich.«
Die Vorstellung, dass Lady Bess, vor Leben sprühend und umgänglich, in den Armen eines alten, ungeschlachten Parvenüs gelegen hatte, widerstrebte Enid. »Hat sie gesagt, warum?«
»Meine Mutter hat sich nie irgendwem erklärt, erst recht nicht ihrem fünfzehn Jahre alten Sohn, der sich um seine elfjährige, in Tränen aufgelöste Schwester kümmern musste.«
»Oh, du meine Güte.«
»Mutter und ihr neuer Ehemann sind nach London gezogen. Sie hat ihm Zugang zur feinen Gesellschaft verschafft. Aber die Leute haben über sie gelacht. Sogar hier oben haben wir es noch mitbekommen, wie man sich über sie lustig gemacht hat.« MacLean sah auf ihre ineinander verschlungenen Hände hinab. »Meine Schwester und ich sind hier geblieben und haben sie vermisst. Ich habe mich um die Ländereien gekümmert, Elizabeth um das Haus. Und Mutter flatterte in den feinsten Kleidern durch London und ignorierte ihre Pflichten.«
Enid sah Lady Bess förmlich herumflattern, doch sie konnte nicht glauben, dass diese Frau ihre Pflichten vernachlässigt hatte.
»Dann, kaum ein Jahr später, war der alte Narr tot. Mutter kehrte nach Hause
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