In den Armen der Nacht
ich muss dich zu gar nichts zwingen?« Er flüsterte ihr ins Ohr: »Ich mach dich so heiß, Baby, dass wir miteinander verschmelzen und du nicht mehr weißt, wer wer ist.«
Sie japste hörbar nach Luft, und Rurik fasste sich hastig wieder.
Er drehte den Kopf, küsste sie auf die Wange. »Aber erst später.« Später, nach einem endlos langen Vorspiel, wenn er sie rumgekriegt und ihr den Himmel versprochen hatte.
Er konnte sie nicht zwingen, ihn zu lieben, oder ihr die Pistole auf die Brust setzen, dass sie bei ihm blieb, aber wenn sie das nächste Mal weglief, dann würde sie an ihn denken.
Seine Augen auf die Wand geheftet, schlug er einen oberlehrerhaften Ton an. Provokation pur. »Auf diesem Relief sehen wir Clovus, wie er ein Geschenk in Empfang nimmt. Allerdings sieht es mir stark danach aus, als wäre es … warte … ja, ziemlich wertlos. Das Ding erinnert mich an einen Schokoriegel!«
Nicht ganz. Genau genommen hatte der Gegenstand die Form und Größe einer Ikone. Allerdings wussten die Künstler des Mittelalters Perspektiven noch nicht realistisch darzustellen, und die Steinmetze, die damals im Norden Schottlands ihr Handwerk ausgeübt hatten, besaßen ohnehin nicht die Kunstfertigkeit der italienischen Meister. Um herauszubekommen, was Clovus da erhalten hatte, würde er die Inschrift entziffern müssen, und der Stein war dermaßen verwittert und bröselig, dass Rurik sich insgeheim auf eine Sisyphusarbeit einstellte.
»Hahaha, und das aus dem Mund eines renommierten Altertumsforschers«, ätzte Tasya. »Damals gab es noch gar keine Schokolade. Außerdem ist der Gegenstand dafür zu dick und zu breit. Verlass dich drauf,
bei Schokoriegeln kenne ich mich aus.« Sie blickte erneut durch den Sucher der Kamera und betätigte den Auslöser.
Tasyas brennendes Interesse an der Gruft war ihm ein Rätsel. Aber was soll’s?, sinnierte er. Er brauchte die Fotos schließlich auch selbst, um die Inschrift und die Fresken in Ruhe inspizieren zu können. »Hast du alles fotografisch dokumentiert?«
»Im Großen und Ganzen, ja. Ein paar Nischen muss ich noch besser ausleuchten.«
»Gut. Keine weiteren tückischen Fallen aufgespürt?«
»Nichts. Es lief wie am Schnürchen. Alles völlig undramatisch.«
»Okay.« Er zog eine Taschenlampe aus dem Futteral an seinem Hosenbein. »Du kennst ja das Sprichwort: Wer sich selbst in Gefahr bringt, kommt darin um«, grinste er anzüglich.
Sie wirbelte ärgerlich zu ihm herum. »Spar dir deine blöden Kommentare.«
»Das war kein blöder Kommentar, sondern die ungeschminkte Wahrheit.« Er stapfte über loses Geröll zu dem aufklaffenden Rechteck in der Mauer und leuchtete mit der Taschenlampe in die Vorkammer.
Der Strahl der Taschenlampe glitt über dicke, unbehauene Felswände. Rurik drängte sich durch die Öffnung, streifte mit dem Kopf die niedrige Decke. Antikes Werkzeug und Tierknochen bedeckten den Boden, an der hinteren Wand stand ein steinerner Altar. Davor lehnte ein halb geöffneter Steinsarkophag.
Tasya war ihm gefolgt. »Worauf tippst du?«
»Auf Relikte aus der Bronzezeit sowie frühe mittelalterliche
Artefakte. Das bestätigt meine Vermutungen - das Grab ist schätzungsweise viertausend Jahre alt, und Clovus entsorgte den Leichnam des hier bestatteten Königs kurzerhand in die Vorkammer und belegte es dann selbst mit Beschlag.«
»Dieser Typ kannte keine Skrupel, was?«
»Er hatte keinen Funken Respekt vor der letzten Ruhe der Toten. Ich vermute mal, dass der Sarkophag da die sterblichen Überreste des ersten Bewohners enthält.«
»Ich finde es hier drin unheimlich.« Tasya schauderte unbehaglich. »Wo liegt Clovus bestattet?«
»Die eigentliche Grabkammer ist weiter hinten.« Rurik nickte zu einer Wand aus kunstvoll behauenen Steinquadern.
»Ja, stimmt«, murmelte sie zähneklappernd. »Ich fühle seine Präsenz.«
Er wusste nichts über Tasya. Null. Folglich nutzte er die Gelegenheit und hakte nach. »Was fühlst du? Woher weißt du, dass es Clovus ist? Seit wann hast du diese Fähigkeit, das Böse zu fühlen?«
Obschon er nicht wirklich mit einer Antwort rechnete, sprudelte sie hervor: »Ich fühle es dunkel. Ich weiß nicht genau, ob es Clovus ist, aber wer sollte es sonst sein? Und ich fühlte sie , als ich vier war. Dieses Gefühl hat mich nie ganz verlassen.«
»Sie?« Er war ganz Ohr. »Wer sind sie ?«
Statt auf seine Frage einzugehen, drehte sie den Kopf und starrte wie gebannt zum Eingang. Dann flüsterte sie: »Vielleicht ist es
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