In den Armen des Spions
vorüber.«
20. November 1822
Am frühen Abend
In der Hängematte in unserer winzigen Kabine
Liebes Tagebuch,
wir spüren immer noch die Nachwirkungen der Ereignisse von gestern Morgen. Obwohl wir mit dem Leben und intaktem Schiff davongekommen sind, hat es, wie ich es schon befürchtet habe, auch auf unserer Seite Verluste gegeben. Kapitän Dacosta hat zwei Männer verloren, und zwei weitere sind zu schwer verletzt, um weiter arbeiten zu können. Gareth und unsere Leute helfen so gut wie möglich aus - Kapitän Dacosta hat alle Segel gehisst, sogar nachts, sodass wir praktisch über die Wellen nach Marseille fliegen. Er will die günstigen Bedingungen so weit wie möglich ausnutzen, solange sie andauern. Ich denke, die Konfrontation mit den Anhängern der Schwarzen Kobra und ihrer Grausamkeit - zusammen mit dem Verlust seiner zwei Männer - hat dazu geführt, dass er nicht unbedingt erpicht darauf ist, noch einmal einen Zusammenstoß mit unserem Feind zu erleben.
So zu kämpfen ist kein Spaß. Wann immer ich daran denke, was geschehen ist, wann immer Bilder von jenem Morgen vor meinem geistigen Auge erscheinen, schaudert es mich. Blut und Klingen und gewaltsamer Tod haben noch nie zu den Sachen gehört, die ich vorziehe. Allerdings war es nötig, sonst wären wir alle am Ende umgekommen. Daher ist es wohl müßig, sich zu sehr damit zu befassen.
Engländerinnen in der Fremde sind, so sagt man, widerstandsfähig.
Und in der Tat bemühe ich mich darum. Ich bin eben erst von der Krankenwache an Jimmys Hängematte zurückgekehrt, und schreibe nun, weil ich berichten kann, dass er wach ist und einigermaßen bei Sinnen. Während der Rest von uns am Ende des Kampfes noch auf eigenen Füßen stehen konnte, wenn auch mit einigen Blessuren, die versorgt werden mussten, war Jimmy zunächst nirgends zu finden.
Wir haben mit wachsender Verzweiflung nach ihm gesucht und fürchteten schon, er sei über Bord gegangen, aber Bister hat ihn schließlich unter ein paar Sektenanhängern entdeckt. Jimmy hatte eine Stichverletzung und viel Blut verloren, aber Gareth hat uns versichert, die Wunde sei nicht lebensbedrohlich. Und tatsächlich stellte sich später heraus, dass Jimmy einen Hieb erhalten hat, der ihn bewusstlos gemacht hat. Aber er hat sich erst heute Morgen wieder gerührt, als es Arnia und Dorcas gelungen ist, ihm etwas Brühe einzuflößen. Danach verfiel er erneut in Bewusstlosigkeit, und wir begannen wieder, uns um ihn zu sorgen, da Kopfverletzungen so schwer einzuschätzen sind.
Aber er ist jetzt vollends wach, und Bister zieht ihn auf, sodass es zwar ein paar Tage dauern wird, bis er wieder zu Kräften gekommen ist, aber er wird es schaffen - wie ich hoffe ohne bleibenden Schaden. Ich bin sehr erleichtert, denn ich hätte mich sehr schuldig gefühlt, wenn er gestorben wäre. Jimmy gehört sozusagen zu meinem Gefolge - er ist einer meiner Leute -, und unsere Verstrickung in Gareths Mission und die sich daraus ergebende Gefahr gründet auf meinem Wunsch, ihm zu folgen. Es war meine Entscheidung, die uns hergebracht hat. Wenn Jimmy - oder einer der anderen - gestorben wäre, hätte ich das schmerzlich gefühlt.
Ich kann mir nicht vor st eilen, wie es Gareth gelingt, eine derart schwere Last auf seinen breiten Schultern zu tragen. Er war jahrelang befehlshabender Offizier im Feld und mehr als zehn Jahre im aktiven Dienst. Ich beginne zu erkennen, welche Leistung er und die anderen, die so wie er sind, zum Wohle unseres Landes erbringen, wie viel sie wortlos auf ihr Gewissen laden - für immer und ewig. Es kann keine leichte Bürde sein, aber sie verlieren nicht viele Worte darüber.
Ich frage mich, wie schwer MacFarlanes Tod auf Gareth und den anderen lastet, die ich an jenem weit zurückliegenden Tag im Offizierskasino getroffen habe. Schlimm genug, wenn ein Untergebener stirbt, aber ein Freund ...
Ich glaube, es muss die Ehre sein, die ihnen hilft, die Last zu tragen.
Einmal mehr spüre ich die Einschränkungen der Fahrt auf einer Schebecke schmerzlich. Gestern den ganzen Tag über und auch heute verspüre ich den Drang, zu Gareth zu gehen, ihn zu sehen, zu berühren und mich zu vergewissern, dass es ihm gut geht. Ich weiß, dass dem so ist, und ich erkenne auch, dass dieser Drang unserem knappen Entkommen entspringt. Aber er lässt dennoch nicht nach.
Es ist mir gelungen, eine Ecke an Deck in Beschlag zu nehmen, um seine Verletzungen zu versorgen - drei Schnittwunden, keine davon gefährlich tief, dem
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