In den Armen des Spions
Ehre als Gentleman es mir befiehlt, als der von uns beiden, der über mehr Erfahrung verfügt, mich von Ihnen fernzuhalten und Ihnen zu widerstehen.«
Genug Erklärungen. Er schwenkte zum Angriff um.
»Sie sollten mir danken, dass ich Ihre Einladung zu einem weiteren Techtelmechtel nicht annehme.« Er sorgte dafür, dass sein Tonfall entschieden klang, sogar ein bisschen herrisch. »Die meisten Männer in meiner Lage würden das ausnutzen, aber Sie verdienen etwas Besseres.«
Ihre Augen wurden wieder schmal, ihr auf ihm ruhender Blick wurde scharf.
»Sie sagen also ... ich leide unter ... wie haben Sie es ausgedrückt? Unter einer Art durch Gefahr hervorgerufenem eingebildetem Verlangen, vor dem Sie mich retten müssen?«
Er zögerte einen Moment, dann nickte er.
»Ja. Ich denke, mehr ist es nicht.«
»Sie müssen mich vor mir selbst retten.« Emily atmete bebend ein. »Und das wissen Sie, weil ...?«
»Weil ich wesentlich erfahrener bin als Sie.«
»Verstehe.« Die Selbstbeherrschung entglitt ihr, und ihr Zorn ließ ihre Stimme beben. Ihre Augen so schmal zusammengekniffen, wie es nur möglich war, durchbohrte sie ihn förmlich mit ihrem Blick. Wut, wie sie sie nie zuvor bei sich erlebt hatte, rann heiß durch ihre Adern, sie öffnete den Mund und entdeckte, dass sie kein Wort herausbekommen konnte.
Sie holte Luft, hielt sie an und versuchte dann erneut, etwas zu sagen, aber der Zorn schnürte ihr die Kehle zu.
Du hast nicht die geringste Ahnung, wovon du da redest!
»Aaah!« Sie warf die Hände in die Höhe, machte auf dem Absatz kehrt und lief zu der Tür am Ende des Korridors, riss sie auf und marschierte hinaus.
Das also hatte sie dafür erhalten, dass sie einen geeigneten Ort gefunden hatte, für geeignete Zeit gesorgt hatte.
Das also hatte sie bekommen, weil sie eine Beziehung mit ihm aufbauen wollte - er glaubte noch nicht einmal, dass sie wirklich eine wollte!
Empörte Ausrufe, hitzige Erklärungen - alles, was sie ihm liebend gerne an den Kopf geworfen hätte, wenn sie nur hätte sprechen können, wenn sie nur hätte darauf vertrauen können, dass sie ihm ihre Meinung sagen konnte, ohne dass ihr zornige Tränen über die Wangen liefen, ihr die Stimme erstickten - schossen ihr durch den Kopf, als sie ohne stehen zu bleiben aus dem Palast lief und die Straßen hinab.
Ihre Miene musste ihre mühsam beherrschte Wut widerspiegeln; alle, die sie sahen, beeilten sich, ihr Platz zu machen. Sie schaute nicht hinter sich, ob Gareth ihr folgte, aber sie hörte Schritte hinter sich und wusste, dass er es war.
Sie erreichte das Tor in dem Zaun, der den Park umschloss. Sie blieb stehen, warf ihm über die Schulter einen Blick voller Wut und Verachtung zu, dann wirbelte sie herum, setzte eine heitere entspannte Miene auf und zupfte den Schal aus ihrer Burka um ihre Schultern zurecht, hob den Kopf und ging vorwärts, um Dorcas und Watson zu suchen und dann mit ihnen an Bord der Schebecke zurückzukehren.
12. November 1822
Spät
Wieder zurück auf der Schebecke
Liebes Tagebuch,
ich bin sprachlos. Immer noch. Gareth glaubt, mein Interesse an ihm beruhe auf einer Reaktion auf die Gefahren, die wir überstanden haben - in seinen Augen bin ich blind und voller Illusionen.
Wann immer ich an das denke, was er gesagt hat - was er denkt, werde ich so wütend, dass ich am ganzen Körper bebe. Wie kann er es wagen? Was, zum Teufel, denkt er sich, wenn er mir mitteilt, was ich fühle und warum? Schlimm genug - aber wie kann er es wagen, sich dabei auch noch derart zu irren!!
Ich bin außer mir vor Wut - bis heute wusste ich nicht, was dieser Ausdruck heißen soll. Seine Unverfrorenheit kennt jedenfalls keine Grenzen!
Ach ja, da waren ein paar Sätze, die er gesagt hat, denen ich vermutlich mehr Beachtung schenken müsste.
Das werde ich auch tun, aber erst, wenn ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe.
E.
Ihre Schebecke erreichte den Hafen von Tunis drei Tage später am Nachmittag. Seit Alexandria hatten sie keinen einzigen Sektenanhänger zu Gesicht bekommen, was nur gut war, da der Zugang vom Meer in den sogenannten See, der den natürlichen Hafen bildete, durch eine schmale Durchfahrt erfolgte. Auf der Schebecke mussten die Segel gerafft und stattdessen die Ruder besetzt werden. Irgendeiner wie auch immer gearteten Verfolgung zu entkommen wäre schlicht unmöglich gewesen.
Nachdem sie sich von Kapitän Laboule und seiner Mannschaft verabschiedet und ihnen für ihre Gastfreundschaft gedankt hatten,
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