In den Armen des Spions
ein paar Momente, bis sie ihre Beine und die Röcke geordnet hatte. Sie blickte zur Begum, um zu sehen, ob es einen Trick dabei gab, und hätte sie fast mit offenem Mund angestarrt.
Die Gattin des Bey hatte sich aufgerichtet und sich in den Seidenkissen im Schneidersitz hingesetzt, hatte dabei den altgoldenen Seidenschal, den sie um die Schulter getragen hatte, sinken lassen, sodass sie fast zur Gänze in bernsteinfarben schimmernde, durchsichtige Gaze gehüllt war.
Erschrocken schaute Emily genauer hin und entdeckte ein paar Zoll undurchsichtiger bronzefarbener Seide an strategisch wichtigen Stellen. Aber wirklich! Die Frau war praktisch nackt.
Die Begum hatte ihre Reaktion nicht bemerkt. Sie lächelte Gareth an und war ganz auf ihn konzentriert.
Halb rechnete Emily damit, dass sie sich die Lippen leckte.
Sie blickte zu Gareth. Einmal mehr in seine Uniform gekleidet hatte er den dritten Platz am Tisch eingenommen, rechts von ihrer Gastgeberin; er saß mit überkreuzten Beinen auf einem Kissen. Er hatte seine ausdrucksloseste Miene aufgesetzt, aber nach allem, was sie durchgemacht hatten, konnte sie ihn mittlerweile recht gut lesen. Anspannung sprach aus der Haltung seiner Schultern; jeder seiner Muskeln war gespannt, bereit zu reagieren. Er beobachtete die Begum wie er ein möglicherweise gefährliches Tier betrachten würde, neben dem er sitzen musste.
Sein Blick war auf das Gesicht der Begum gerichtet, offenkundig weder angezogen noch interessiert an dem, was sie ihm zeigte.
Emily verspürte eine gewisse Erleichterung. Die Begum war sehr schön, wenn auch auf eine üppige und irgendwie raubtierhafte Weise.
Da er ihren Blick spürte, sah Gareth flüchtig zu Emily. Bei dem kurzen Blickkontakt erkannte sie deutlich sein Unbehagen. Er fühlte sich unwohl und wollte lieber sonst irgendwo sein statt hier.
Sich an den Grund - oder besser den Vorwand - erinnernd, unter dem sie hierher geladen worden waren, räusperte sie sich und lächelte leicht herablassend, als die Begum sie anschaute. Sie beugte sich vor und vertraute ihr an:
»Ich fürchte, ich muss Sie warnen, meine liebe Begum, dass die Aufmachung, mit der Sie uns heute beehren, an jedem europäischen Hof unmöglich wäre.«
Die Begum runzelte die Stirn und schaute auf ihre durchsichtige Bluse, während sie antwortete.
»Diese Kleidungsstücke werden als völlig angemessen betrachtet für eine Dame, die mit Gästen im Hause ihres Gatten speist.«
»Ich will gerne einräumen, dass sie das sind - hier wenigstens. Aber in Europa sich irgendwo in dieser Kleidung zu zeigen würde einen Skandal verursachen, das versichere ich Ihnen. Und, bitte verzeihen Sie mir, falls ich etwas durcheinanderbringe, aber ich hatte den Bey so verstanden, als habe er uns gebeten, Sie und die anderen in europäischen Sitten zu unterweisen, um irgendwelche hässlichen Zwischenfälle zu vermeiden.«
Die Aufmerksamkeit der Begum gehörte nun allein Emily; nach einem Moment angestrengten Überlegens mit zusammengezogenen Brauen aber wandte sie sich an Gareth und fragte ihn:
»Stimmt es, was Ihre Majorin sagt? Dass, wenn ich so gekleidet bin« - sie breitete ihre unzureichend verhüllten Arme aus - »ich einen schlechten Eindruck hinterlasse?«
Mit schmalen Lippen, die Augen fest auf das Gesicht der Begum gerichtet, nickte er.
»Es würde von der Gesellschaft nicht gut aufgenommen, und die grandes dames würden Sie höchstwahrscheinlich nicht« - er hielt kurz inne, dann verbesserte er sich - »auf keinen Fall zu ihren erlesenen Soireen einladen.«
»Oh.« Sie ließ die Arme sinken und war sichtlich getroffen. Sie sah wieder Emily an. »So.« Ihr Blick glitt über Emilys Abendkleid. »Ich muss mich so verhüllen wie Sie?«
Emily schaute auf ihr eigenes Kleid aus blass bernsteinfarbener Seide mit dem runden Ausschnitt und der hoch angesetzten Taille, beides zart mit Spitze besetzt. Den Rock zierte nur eine Rüsche oberhalb des Saumes, und eine Reihe Knöpfe aus Silber und Bernstein verlief durchgehend vom Ausschnitt zum Saum.
»Dem Stil nach ja, aber Ihre Kleider könnten weniger schlicht sein, mit mehr Verzierungen.« Sie streckte eine Hand aus und berührte die feine Goldstickerei am Ärmel der Begum. »So etwas wie das hier. In Europa zeigt man seinen Rang mit kostbaren Materialien und Verzierungen, nicht so sehr durch verschiedene Kleiderarten.«
»Verstehe.« Die Begum wirkte jetzt weniger nachdenklich als vielmehr berechnend, doch dann erschien der hünenhafte Mann, der
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