In den Armen des Spions
verheiratete Damen sich mit Herren einlassen, die nicht ihre Ehemänner sind. Und dass die Herren, seien sie nun verheiratet oder nicht - dass für sie die Ehe nichts bedeutet. Stimmt das etwa nicht?«
Die Worte waren eine Herausforderung, eine, der Emily, wie sie sehr wohl wusste, begegnen musste.
»Ja, aber wie so oft entgehen einem Fremden die wesentlichen Nuancen und Feinheiten.« Sie atmete durch, bedachte Gareth mit einem scharfen Blick und hoffte, er besäße die Geistesgegenwart, den Mund zu halten, dann sah sie wieder der Begum in die Augen. »Nicht alle verheirateten Damen haben Affären mit Männern, die nicht ihre Ehemänner sind, und nicht alle verheirateten Herren haben ein Verhältnis mit einer Frau, die nicht ihre Ehefrau ist. Nur ein geringer Prozentsatz, in vielen Kreisen sogar ein sehr geringer Prozentsatz von Verheirateten sucht... äh, Zerstreuung mit anderen als ihren angetrauten Partnern.«
Die Miene der Begum verdüsterte sich weiter, wurde übellaunig. Sie sah Gareth an.
»Stimmt das?«
Ehe er antworten konnte, bekräftigte Emily:
»Ja, das stimmt.« Sobald die Begum sie wieder anschaute, fuhr sie fort: »Und in Ihrem Fall, wenn Sie als Ehefrau des Bey einen europäischen Hof besuchen, werden Sie die strengsten Anstandsregeln beachten müssen, und wenn es aus keinem anderen Grund ist, als sich nicht angreifbar zu machen.«
Verwirrung und ein Anflug von Sorge flackerte in den Augen der Begum auf.
Aha, dachte Emily und verfolgte die eingeschlagene Richtung weiter.
»Sie werden vor Möchtegernverführern auf der Hut sein müssen, denn die einzigen Europäer, ob nun verheiratet oder nicht, die sich der Gattin eines zu Besuch weilenden Herrschers mit der Absicht einer Affäre nähern würden, werden nur eines im Sinn haben - entweder Ihren Ehemann in Misskredit zu bringen, indem sie einen Skandal verursachen - Sie wissen ja, wie Männer sind - oder durch Sie mehr über die Absichten Ihres Gatten zu erfahren.« Mit gerunzelter Stirn fügte sie hinzu: »Oder vielleicht auch, um Sie zu erpressen.«
Sie konzentrierte sich wieder auf die Begum.
»Nun, Sie können sicher erkennen, welche Gefahren dabei drohen.«
Da ihr plötzlich auffiel, dass ihre Vorgehensweise nicht unbedingt von der Begum als Kompliment gewertet werden konnte, schob sie hastig nach:
»Es wäre vollkommen anders, wenn Sie inoffiziell zu Besuch wären, nicht in Begleitung Ihres Gatten, sondern Sie für sich selbst.« Sie hielt inne, um Luft zu holen, dann fügte sie aufrichtig hinzu: »Sie sind eine sehr schöne Frau, und ich bin sicher, die Herren würden Schlange stehen, um mit Ihnen eine Affäre zu haben, aber« - sie schüttelte den Kopf -»nicht diesmal. Nicht, während Sie als Gemahlin des Beys reisen.«
Die Miene der Begum war während Emilys Vortrag immer mutloser geworden. Das Schweigen dehnte sich aus; sie starrte Emily an, dann sah sie zu Gareth.
»Sie ...«
»Weder der Major noch ich haben außerhalb der Ehe Affären.« Emily äußerte das mit felsenfester Überzeugung - es war auch nicht gelogen. Sie sah nicht zu Gareth, sondern suchte den Blick der Begum, als diese sich wieder zu ihr umdrehte. »Vielleicht sollte ich hinzufügen, dass es in der europäischen Kultur üblich ist, dass der erste Schritt von dem Herrn ausgeht.«
»Aber ...« Die Begum schien angewidert. »Was soll das denn? Da kann man ja ewig warten.«
»Allerdings.« Emily gelang es, sich zu beherrschen und Gareth keinen finsteren Blick zuzuwerfen. »Nachdem wir es Ihnen erklärt haben - Sie gewarnt haben -, was es mit Affären in unserer Gesellschaft in Wahrheit auf sich hat, sollten wir jetzt aufbrechen. Es ist schon spät. Wir danken Ihnen für Ihre Gastfreundschaft.« Sie bewegte sich, um aufzustehen.
Die Begum machte einen wenig damenhaften Laut.
»Also werde ich Ihre Ballsäle und Salons besuchen«, beklagte sie sich, »aber ich werde auch dort ein so eingeschränktes Leben führen wie hier zu Hause.« Sie schaute auf, als Emily sich erhoben hatte. Die Begum kniff die Augen zusammen und deutete auf Emily. »Aha! Jetzt begreife ich auch, warum Ihr Kleid so ist - warum Sie sich so kleiden, ganz verhüllt, wenn Sie sich in der Gesellschaft bewegen. Warum Sie sich außerhalb Ihres Heimes wie eine Nonne kleiden, statt wie eine Ehefrau.«
Emily verkniff sich, der Begum mitzuteilen, dass man sich zu Hause ebenso kleidete wie in Gesellschaft.
Anmutig erhob sich die Begum von den Kissen, in ihrer kaum verhüllten Schönheit. Sie winkte
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