In den Fängen der Macht
selbst wusste?
Schon jetzt bedrückte ihn der Gedanke, zerfraß ihn innerlich.
Er trat hinaus in die Sonne, aber er fröstelte.
9
Zum ersten Mal seit seiner Heirat widerstrebte es Monk, nach Hause zu gehen, und obwohl er es fürchtete, ging er umgehend dorthin. Er wollte keine Zeit zum Nachdenken haben. Es gab keine Möglichkeit, zu vermeiden, Hester zu sehen, ihrem Blick zu begegnen und die erste Lüge zwischen ihnen aufzubauen. In der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft hatten sie heftig miteinander gestritten. Er hatte sie für voreingenommen, spitzzüngig und kaltherzig gehalten, eine Frau, deren ganze Leidenschaft der Verbesserung anderer galt, ob sie dies nun wollten oder nicht.
Und sie hatte ihn für selbstsüchtig, arrogant und in hohem Maße grausam gehalten. Heute Morgen noch hätte er darüber gelächelt, wie glücklich sie gemeinsam waren. Und nun quälte ihn ein Schmerz wie ein gerissener Muskel, eine Pein, die alles umfasste und alle Freuden verblassen ließ.
Er schloss die Tür auf und drückte sie hinter sich wieder ins Schloss.
Sie war da, sofort, ließ ihm keine Zeit, seine Gedanken zu ordnen. All die vorher zurechtgelegten Worte verflogen.
Sie missverstand ihn, dachte, es hätte etwas mit seinen Ermittlungen am Fluss zu tun.
»Du hast etwas Hässliches entdeckt«, sagte sie schnell.
»Was ist es? Hat es mit Breeland zu tun? Aber auch wenn er schuldig ist, bedeutete es doch noch nicht, dass Merrit das auch ist.«
In ihrer Stimme lag so viel Überzeugung, dass er wusste, sie fürchtete, sich irgendwie geirrt zu haben und Merrit hätte doch einen Anteil an dem grausamen Geschehen gehabt.
Es war die perfekte Chance, ihr zu erzählen, was er tatsächlich entdeckt hatte, schrecklicher, als sie es sich je hätte vorstellen können, aber über sich und nicht über Breeland. Er konnte es nicht. Aus ihr strahlte eine innere Schönheit, die zu verlieren er nicht riskieren konnte. Er erinnerte sich ihrer in Manassas, als sie sich über den schwer blutenden Soldaten beugte und sich seiner Wunden annahm, ihm den Lebenswillen zurückgab und seine Schmerzen teilte.
Was würde sie von einem Mann halten, der Geld verdient hatte, indem er sich an den Profiten aus dem Sklavenhandel bereichert hatte? Nie im Leben hatte er sich einer Sache mehr geschämt, wenigstens nicht, soweit er sich erinnern konnte. Noch hatte er je mehr Angst davor gehabt, was ihn sein Verhalten kosten könnte. Er erkannte, dass sie das Wertvollste war, was er je gehabt hatte.
»William! Was ist mit dir?« In ihrer Stimme und in ihren Augen lag Furcht. »Was hast du herausgefunden?«
Sie machte sich um Merrit und vielleicht auch um Judith Alberton Sorgen. Sie konnte ja nicht erraten, dass ihr eigenes Leben und Glück bedroht war, und nicht das der Albertons.
Die Wahrheit steckte wie ein Kloß in seinem Hals.
»Nichts Endgültiges.« Er schluckte. »Ich konnte nichts finden, was bezeugen würde, dass der Lastkahn die Themse wieder hinaufgefahren wäre. Ich habe auch keine Ahnung, wem er gehörte. Vielleicht gehörte er jemandem, der ihn verliehen hatte, vielleicht wurde er aber auch jemandem gestohlen, der es nicht wagt, den Diebstahl anzuzeigen, denn möglicherweise stahl er ihn ja selbst.«
Er wünschte sich, sie berühren zu können, die Wärme ihres Körpers, ihre ungeduldige Reaktion auf seine Berührung zu spüren, doch der Abscheu vor sich selbst hielt ihn zurück und umzingelte ihn wie ein übles Laster.
Sie zog sich zurück, in ihrem Gesicht zeigte sich ein Anflug von Verletztheit.
Dies war der erste Vorgeschmack der überwältigenden Einsamkeit, die ihm bevorstand; es war wie das Verblassen der Sonne in der Abenddämmerung.
»Hester!« Sie sah auf.
Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Er konnte der Wahrheit nicht ins Auge sehen. Er hatte keine Zeit gehabt, sich die passenden Worte zurechtzulegen.
»Ich denke, Shearer könnte derjenige gewesen sein, der Daniel Alberton ermordete.« Es war eine lahme Bemerkung, die das ersetzte, was ihm durch den Kopf ging. Und es war wohl kaum als große Offenbarung zu bezeichnen.
Sie wirkte ein wenig verwirrt. »Nun, das würde die sonderbare Zeit der Zugfahrt erklären, nehme ich an«, sagte sie. »Eine Verschwörung zwischen Breeland und Shearer also, von der Merrit nichts ahnte? Vielleicht waren sie und Breeland schon früher am Abend auf dem Hof des Lagerhauses, und sie hatte bereits die Uhr dort verloren?« Dann überzog sich ihr Gesicht mit einem sorgenvollen Ausdruck.
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