In den Faengen der Nacht
wenn Artemis sie nicht gebraucht hatte. Erst in den letzten beiden Jahren war sie häufiger nach Kalosis gekommen. Und mit jedem Besuch schien sie erregter. Irgendetwas war im Olymp geschehen, was sie zornig machte, aber sie sprach nie davon.
Aber vielleicht hatte sie recht. Er war alt und müde. Und beschritt nur die festgelegten Wege. Vielleicht hatte sie eine Idee, mit der die Dark-Hunter und insbesondere Acheron nicht rechnen würden.
»Gut.« Er sah seinen Stellvertreter an. »Trates, du begleitest sie. Wenn sie irgendetwas macht, das einen Vertrag gefährdet, dann bring sie um.«
Satara schnitt eine Grimasse. »Ich liebe dich auch, Bruder.«
Sie zog ihren Dolch aus dem Stiefel. »Aber mach dir keine Sorgen … die Dinge werden wunderbar nach unserem Plan laufen.«
8
Ash erwachte schweißgebadet. Zersplitterte, aus dem Zusammenhang gerissene Bilder schoben sich in seinem Kopf durcheinander wie in einem kaputten Kaleidoskop. Er setzte sich nackt im Bett auf und konnte die verzweifelten Stimmen hören, die mit unausgesprochenen Bitten nach ihm riefen …
Und dann spürte er sie. Die kalte, fordernde Hand auf seiner nackten Schulter, die ihn vom Albtraum wegriss.
»Komm zurück ins Bett, Acheron.«
Ash fuhr sich mit der Hand durch sein langes, blondes Haar und versuchte, seine Aufmerksamkeit auf die lauteste Stimme zu richten, die er gehört hatte. Aber sie war fort … übertönt von allen anderen, bis das Flehen zu einem dumpfen Getöse geworden war, von dem ihm die Ohren klangen. »Es passiert irgendetwas.«
Artemis gab einen missmutigen Laut von sich, tief hinten im Hals – ein Laut, der völlig unziemlich für eine Göttin war, die eine Armee geschaffen hatte, die eigentlich dazu dienen sollte, die Menschheit vor den Apolliten und Daimons zu erretten, die ihr Zwillingsbruder nach seinem eigenen Abbild gestaltet und mit gottähnlichen Kräften ausgestattet hatte. Andererseits hatte sie diese Armee sofort in Acherons Obhut gegeben und sie dazu genutzt, ihn für immer an sich zu binden.
»Es passiert immer irgendetwas«, sagte sie gereizt. »Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.«
Er atmete verzweifelt tief durch und sah sie über seine Schulter an. Sie legte sich zurück in die Kissen, ihr Körper war bedeckt von dem weißen, hauchdünnen Tuch, das weicher war als feine Seide und nichts von ihrem Körper vor seinem Blick verbarg. Ihr rotes Haar breitete sich um ihren Kopf aus, und obwohl sie eine Göttin war, war sie von Perfektion so weit entfernt, wie man sich nur denken konnte. »Die Mäuse spielen, Artie.«
Augenblicklich war sie beleidigt und versuchte, ihn in ihre Arme zurückzuholen. »Na und?«
Ash ignorierte sie, stand auf und ging zu den hohen Türen hinüber, die auf eine goldene Veranda führten und sich öffneten, sobald er näher trat. Er ging hindurch, lehnte sich gegen die kalte, steinerne Brüstung und starrte hinüber zum Regenbogenwasserfall. Es war wirklich wunderschön hier im Olymp, und doch bedeutete es ihm nichts.
In Gedanken war er bei der Zukunft, die ihn mit diffusen Bildern verhöhnte, die er nicht in sein Blickfeld bekam, egal, wie sehr er sich bemühte.
Irgendetwas ging vor, und es würde diejenigen betreffen, denen er nahestand. Er spürte es mit jeder Faser seines Seins. Verdammt.
»Was hast du vor, Stryker?«, fragte er leise flüsternd, obwohl er wusste, dass er von der anderen Seite keine Antwort bekommen würde.
Stryker hatte etwas Schlechtes angestoßen. Tausende von Jahren hatte der Herr der Daimons geruht. Aber vor vier Jahren war etwas geschehen, das ihn wieder ans Licht geholt hatte. Jetzt hatte er beschlossen, Ash zu verletzen, wo immer er konnte.
Artemis kam und stellte sich neben ihn. Sie legte ihm die kalte Hand auf die rechte Schulter und berührte seine linke mit der Wange, dann bearbeitete sie seine Haut zart mit den Zähnen. »Komm zurück ins Bett, Liebling.«
Das war im Moment das Letzte, was er sich wünschte … Um ehrlich zu sein, war es schon lange das Letzte, was er sich wünschte. Aber schon vor langer Zeit hatte er sich mit der Tatsache versöhnt, dass er dem Gefängnis, zu dem Artemis ihn verurteilt hatte, niemals entkommen würde.
Er schloss die Augen, holte tief Luft und zählte bis zehn, ehe er eine Bitte aussprach, die ihm sehr gegen den Strich ging. Er war nie jemand gewesen, der um etwas bat, und doch schaffte sie es jedes Mal, wenn sie zusammen waren, dass er sich dazu herabließ. »Lass mich fort,
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