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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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riß mit einem Ruck das Papier aus Thorwaldsens Hand und zerfetzte es. Die Schnipsel warf er hoch in die Luft. »Ungültig!« sagte er dabei noch einmal.
    Thorwaldsen blieb ruhig. Haltung, alter Junge, sagte er sich. Nur nicht nervös werden. Das sind die Soldaten von allein. Man ist lange genug in Afrika, um zu wissen, daß brenzlige Situationen auf allen Schultern ausgetragen werden, ohne Rücksicht auf Freund oder Feind. Auch das hier wird sich als ein Irrtum herausstellen. Dann entschuldigen sie sich wortreich und schieben einen ab.
    »Wie kommen Sie in dieses Gebiet?« fragte der junge Offizier. Die Soldaten kamen näher. Der Kreis um Hendrik wurde enger.
    »Ich jage hier schon seit vier Jahren.«
    »Haben Sie nicht den Aufruf gehört, daß alle Europäer das Gebiet verlassen sollen?«
    »Das ist mir neu. Seit sechs Wochen habe ich keinen Europäer mehr gesehen, und die Bantus hören kein Radio …«
    »Kommen Sie mit!« Der Offizier winkte mit seiner Pistole und ging voran. Thorwaldsen folgte ihm, begleitet von zwei Uganda-Soldaten, die ihre Gewehrläufe in seinen Rücken bohrten. Im hohen Gras, völlig unsichtbar durch Netze, auf die man Gras geflochten hatte, standen zehn Jeeps etwas abseits der Straße. Sie bildeten einen Kreis, in dessen Mitte Kisten mit Munition und Verpflegung und zwei Maschinengewehre standen. Der junge Offizier setzte sich auf eine Kiste mit Handgranaten und sah Thorwaldsen mißtrauisch an. Ihm erschien es unmöglich, daß ein weißer Mensch seit Wochen ungehindert in diesem Gebiet hin und her fahren konnte. »Sie behaupten also, überhaupt nicht zu wissen, was hier los ist?« fragte er.
    »Ja. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Leutnant, wenn Sie mir Auskunft gäben.«
    »Das ganze Gebiet Toro ist gesperrt! Haben Sie keinen Feuerschein gesehen?«
    »Ab und zu doch. Ich dachte mir nichts dabei.«
    »Ein Teil der Bwamba-Bantus ist verrückt geworden. Sie träumen von einem eigenen Staat zwischen Albert-See und den Mondbergen. Wir wissen nicht, wie viele es sind, aber überall brennen sie die Farmen nieder, überfallen Militärstützpunkte und ziehen von Dorf zu Dorf, um Männer zu bekommen. Weigert sich ein Dorf, wird es niedergemetzelt. Wie die Geister tauchen sie auf, mal da, mal dort, aber immer an Orten, wo gerade kein Militär ist. Sie müssen einen blendend ausgebauten Nachrichtendienst haben. Von drei Gefangenen erfuhren wir nur soviel, daß sie einen König gewählt haben, der Kwame Kirugu heißt. Der mächtigste Mann des Stammes aber ist ein Zauberer. Nabu Budumba. Mehr sagten die Gefangenen nicht. Am nächsten Morgen waren sie tot. Sie hatten sich selbst erdrosselt. Das war vor vier Wochen. Seitdem ist das Gebiet Toro von allen Weißen geräumt. Zwei Bataillone der Armee kämmen es systematisch durch. Es wird nicht lange dauern, bis wir die Bwambas haben. Und Sie fahren mitten durch das Land, als sei es ein Vergnügen.«
    »Ich könnte mir etwas Vergnüglicheres denken.« Thorwaldsen kraulte sich die Stirn. Er sah wieder die nächtliche Kolonne der Krieger vor sich, den Mann auf dem Thron, die Zauberer, die ihn umhüpften, die beiden Pakete an den Stangen, wie sie hin und her pendelten, den dumpfen Trommelwirbel und den fanatisierenden Gesang, betäubend und mitreißend.
    Glück gehabt, Junge, dachte er und schauderte jetzt noch. Wenn sie dich entdeckt hätten, wärst du jetzt Gehacktes.
    »Sie haben außer Feuerschein nichts bemerkt?« fragte der junge Offizier. Thorwaldsen zuckte aus seinen Gedanken hoch.
    »Nein! Nichts! Doch ja … ferne Trommeln. Die typischen Signale.«
    »Das waren sie.« Der Leutnant faltete eine Karte auseinander. »Wo ungefähr war es?«
    »Hier.« Thorwaldsen zeigte auf ein Gebiet, durch das er vor sieben Tagen gezogen war.
    »Dort also auch!« Der junge Leutnant nahm seinen Helm ab. Über sein fast schwarzes Gesicht lief der Schweiß in Bächen. »Sie sind überall. Als wenn sie Flügel hätten!« Er sah Thorwaldsen wieder nachdenklich an. »Was mache ich jetzt mit Ihnen?«
    »Das einfachste: Sie haben mich nicht gesehen, und ich fahre weiter.«
    »Unmöglich! Sie müssen zurück nach Mubende. Ich gebe Ihnen zwei Soldaten mit … nicht zum Schutz, sondern damit ich sicher bin, daß Sie auch nach Mubende fahren.« Er winkte zwei Soldaten und sprach mit ihnen in einem Luganda-Dialekt, den Thorwaldsen nicht verstand. Die Soldaten nickten, grinsten breit, knallten die Hacken zusammen und klemmten ihre Maschinenpistolen unter den Arm. Wie Kinder, die man

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