In den Klauen des Löwen
lieben kann?
Er ging zu dem Wagen, stellte sich auf die andere Seite, wo Corinna ihn nicht sehen konnte, und holte einen Spiegel aus der Arzttasche. Im zuckenden Schein des Feuers sah er sein Gesicht an. Edel zwar, schön, aber dunkel. Die Augäpfel stachen weiß hervor, die Lippen waren etwas wulstig, das Haar gekräuselt.
Er legte den Spiegel zurück und lehnte die Stirn gegen den Wagen. Heiß wallte das Blut durch ihn.
Mein Gott, laß mich in ihren Augen wie ein Weißer sein, betete er stumm. Laß ein Wunder geschehen … mach mich weiß! Mein Gott, ich sterbe an dieser Liebe, wenn sie nicht erfüllt wird …
Später saßen sie sich gegenüber am Tisch und aßen den Gazellenbraten. Plötzlich legte Malanga sein Stück auf den Teller zurück und hob den Kopf. Lauernd, wie ein Leopard, drehte er den Kopf hin und her.
»Was haben Sie?« fragte Corinna erstaunt.
»Hören Sie nicht … Motorengeräusch!«
Corinna strengte sich an, aber sie hörte außer den Tierstimmen gar nichts. Sie schüttelte den Kopf, aber Malanga stand ruckartig auf.
»Es kommt näher! Ganz deutlich ein Motor! Da … Gehen Sie zum Wagen, Miß Sander. Legen Sie sich hinter ihn.«
»Wir müssen das Feuer löschen.«
»Zu spät. Wer da kommt, hat uns schon gesehen. Es genügt, wenn er mich allein sieht.«
»Und Sie umbringt! Nein! Ich bleibe neben Ihnen stehen!« Corinna stellte sich neben Malanga. Sie zitterte plötzlich.
»Haben Sie Angst um mich, Corinna?« sagte Malanga. Er lächelte fast traurig.
»Ja.«
»Es wird mir nichts geschehen. Aber es macht mich glücklich, daß Sie um mich zittern. Ich habe so viel Mitgefühl nicht verdient.«
Stumm, nebeneinander stehend, warteten sie. Das Motorengeräusch kam näher, jetzt hörte es auch Corinna.
»Ein einzelner Wagen?« flüsterte sie.
Malanga nickte. Er bückte sich und nahm sein Gewehr auf. Corinna zog ihre Pistole aus der Tasche. Hinter dem Feuer standen sie … die Flammen waren zwischen ihnen und dem fremden Wagen.
Plötzlich, nachdem es ganz in der Nähe war, verstummte der Motor. Die Stille war unheimlich und voll Gefahr. Malanga legte den Arm um Corinnas Schulter. Sie bebte am ganzen Körper.
»Jetzt schleicht er sich heran«, sagte Malanga leise. »Ich kann ihn sehen … er kommt durch das Gras neben der Papaya. Ich sehe seinen Schatten. Er ist kein Bantu … er ist ein Weißer. Und er ist allein.« Er faßte Corinna plötzlich an der Hand und trat in den Feuerschein. Gleichzeitig zeigte er mit dem Gewehrlauf auf eine Stelle im Busch.
»Kommen Sie heraus!« sagte er laut. »Ich wünsche Ihnen Frieden.«
Aus dem hohen Gras schnellte ein Körper. Mit vier großen Sprüngen war er auf dem Lagerplatz, eine Maschinenpistole blitzte im Widerschein der Flammen.
»Corinna!« rief der Fremde. »Mein Gott, ist's möglich … Corinna Sander!«
Er warf die Waffe weg und kam mit ausgebreiteten Armen auf Corinna zu.
Nun erkannte auch sie ihn und alle Angst befreite sich in einem hellen Aufschrei.
»Hendrik Thorwaldsen! Sie?! Mein Gott, haben Sie uns in Spannung gehalten!«
Und dann geschah das, was Malanga nie vergessen würde: Corinna und Thorwaldsen liefen sich entgegen, umarmten sich und küßten sich wie ein Liebespaar. Sie fanden nichts dabei, absolut gar nichts – es war nur die Wiedersehensfreude, die Erlösung von dem furchtbaren Druck der Angst. Aber für Malanga war es mehr. Für ihn brach die Welt seiner Liebe zusammen.
Er wandte sich ab und ging in den Schatten des Wagens zurück.
Ich hasse ihn, dachte er. Ich hasse ihn vom ersten Ton an.
Er setzte sich in die offene Tür des Wagens und ballte die Fäuste. Es war ihm, als verbrenne er innerlich. Und er hätte jetzt brüllen können wie ein sterbender Löwe.
Mit Zittern in den Fäusten sah er, wie Thorwaldsen das blonde Haar Corinnas streichelte, das Haar, in dem Malanga in der vorigen Nacht sein Gesicht vergraben hatte … heimlich, als Corinna schlief, Minuten ängstlicher Glückseligkeit. Ich töte ihn, dachte Malanga, ich töte ihn …
Er zuckte zusammen, als er seinen Namen rufen hörte. »Malanga!« rief Corinna mit ihrer hellen, forschen Stimme. »Malanga?! Wo sind Sie? Warum sind Sie weggegangen? Ein guter Freund ist gekommen.«
Malanga löste sich aus dem Schatten des Landrovers und kam langsam in den Schein des Lagerfeuers zurück. Er ging stolz und aufrecht, ein schwarzer Aristokrat, dem es keinen Eindruck macht, daß ein Weißer allein durch die Savanne fährt und Tiere schießt, die eigentlich den
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