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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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empor.
    Diesmal gelang es. Er kam mit den Schultern über den Grubenrand, griff nach einem Schilfbündel, hielt sich daran fest, preßte das glühende, zuckende Gesicht in den feuchten Boden und lag so eine ganze Weile. Die Beine hingen noch in der Grube wie leblose Anhängsel.
    Es vergingen Minuten, bis der Schwächeanfall vorüber war. Langsam kroch Malanga vollends aus der Grube, wälzte sich auf den Rücken und starrte in den blaßblauen, vor Hitze flimmernden Himmel.
    Ich lebe, dachte er. Mein Gott, ich lebe.
    Nachdem er sich etwas erholt hatte, waren die nächsten Arbeiten keine Anstrengung mehr. Er rupfte Schilf aus und flocht aus den Halmen einen dicken Strick. Schon als kleiner Junge hatte er das gelernt, denn aus Lianen, Hanf, Schilf und den Stengeln der Kletterpflanzen drehten sie im Dorf die Seile, mit denen sie die Wände und Dächer der Rundhütten zusammenhielten. An dem Strick ließ er sich wieder in die Grube hinunter. Er holte das weggeworfene Gewehr herauf, zog sich wieder an, nachdem er sich im Fluß gewaschen hatte – was die trägen Flußpferde auf den Sandbänken kaum wahrnahmen –, und aß ein paar Hartkekse, die er in der Jagdtasche fand. Dann ging er den Weg zurück zum Lager.
    War Corinna noch da? Wartete sie auf ihn? Hatte sie dagegen protestiert, daß Thorwaldsen das Zelt abbaute?
    Es war Nachmittag, als Malanga, müde und mit schleppenden Schritten, den Hügel sah, an dessen Fuß das Lager aufgeschlagen worden war. Mit steinernem Gesicht blieb er stehen, als er den Platz übersehen konnte.
    Er war leer. Nur ein Haufen Asche zeigte noch, daß hier um ein Lagerfeuer Menschen gesessen hatten. Die Spur, die der Landrover in das Gras gewalzt hatte, führte nach Osten.
    Langsam ging Malanga um den verlassenen Platz herum, blieb vor der Stelle stehen, an der Corinnas Zelt gestanden hatte, und sah noch die Abdrücke des gepolsterten Schlafsackes im Boden. Etwas blinkte in der Sonne; er bückte sich und hob einen Knopf auf.
    Ein Blusenknopf. Von Corinnas weißer Bluse.
    Malanga legte ihn auf die Handfläche und starrte ihn an. Dann schloß er die Faust und preßte sie ans Herz.
    Sie hat Thorwaldsen mehr geglaubt als mir, dachte er. Sie hält mich für fähig, daß ich sie einfach in der Steppe allein lasse. Ihr Vertrauen ist zerbrochen. Sie ist gegangen …
    Er hob die Faust und schleuderte den Knopf ins hohe Gras.
    Vorbei! Vorbei mit aller Liebe, vorbei aber auch mit allem, was weiß ist! Was jetzt von Malanga übriggeblieben ist, wird ein schwarzer Blitz sein, der in jedes weiße Haus einschlägt. Der Haß wird auf den Fahnen der Bwambas wehen.
    Malanga sah über die Savanne hinüber zu den fernen Mondbergen. Noch knapp dreißig Kilometer trennten ihn von seinem Stamm in den Sümpfen von Toro. Dreißig Kilometer zu Fuß über glühendes Land und später über schwankenden Moorboden.
    Er warf den Kopf in den Nacken, schulterte sein Gewehr und ging.
    Er kam sich noch nie so kraftvoll vor wie jetzt, wo er nichts anderes mehr war als ein hassender Bantu.
    Thorwaldsen hatte es sich leichter vorgestellt, Corinna von der veränderten Lage zu überzeugen. Er kam allein von der Jagd zurück und blieb erschrocken vor dem Lager stehen. Corinna konnte wieder gehen. An einem abgebrochenen Ast, den sie als Stock benutzte, humpelte sie herum, hatte den Klapptisch gedeckt, das Teewasser summte im Kessel über dem Gaskocher, und sie winkte Thorwaldsen fröhlich zu.
    »Ich habe gar keinen Schuß gehört!« rief sie. »Habt ihr den Mittagsbraten mit der Hand gefangen?« Sie setzte sich und brühte den Tee in der Plastikkanne auf. »Sie sehen ganz schön verschwitzt aus, Hendrik. Wo ist Malanga?«
    Die Frage, auf die Thorwaldsen gewartet hatte. Die Antwort hatte er sich auf dem Weg immer wieder vorgesagt, wie ein Schauspieler, der nach dem Stichwort mit seinem Monolog einsetzen muß. Aber jetzt war alles wie weggewischt aus seinem Gehirn. Er sagte bloß knurrend:
    »Weg!«
    Corinna ließ den Wasserkessel hart auf den Kocher zurückfallen. Ihre großen, blauen Augen wurden starr.
    »Was heißt weg?« Sie sprang auf und stützte sich auf den dicken Ast. »Hendrik! Wo ist Malanga?«
    »Weg. Ich sage es ja. Wir hatten uns in der Savanne getrennt, wollten uns nach einer halben Stunde an einem gewissen Platz treffen … und wer war nicht da? Malanga! Ich habe eine Stunde gewartet, habe ihn gesucht – er war wie vom Erdboden verschluckt.« Wie wahr das ist, dachte Thorwaldsen. Sonst sagt man das immer so daher, jetzt

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