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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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werden nach links gehen, ich gehe nach rechts, bis wir uns nicht mehr sehen und hören. Sie haben eine Uhr?«
    »Ja.« Thorwaldsens Stimme war belegt. Er hob sein rechtes Handgelenk.
    »Vergleichen wir, Sir. Es ist jetzt sechs Uhr zweiundzwanzig. Um genau sechs Uhr fünfundvierzig beginnt die Jagd.« Malanga sah auf seine Armbanduhr. Thorwaldsen drehte etwas an dem Zeiger, seine Uhr ging zwei Minuten nach. »Stimmt es?«
    »Es stimmt.« Thorwaldsen spürte sein Herz bis zum Hals klopfen. Es war keine Angst; es war die unerträgliche Spannung, die sich erst lösen würde, wenn er gleich untertauchte im hohen Gras, Jäger und Wild zugleich.
    Malanga bückte sich nach seinem Gewehr und hob es auf. Er sah dabei nicht zu Thorwaldsen, er drehte ihm sogar den Rücken zu. Wenn er jetzt schießt, ist er ein Schuft, dachte Malanga, aber dann hat er gewonnen. Schießt er nicht, bleibt er ein Gentleman, aber er hat verloren. In der Savanne zu jagen, machte keiner Malanga nach. Hier bin ich geboren, hier bin ich aufgewachsen. Ich habe den Leoparden das Anschleichen abgeguckt, ich habe die Tarnung der Schlangen studiert, ich habe geübt, wie die Flußpferde zu tauchen, ich bin ein Teil dieser grandiosen Natur. Welche Chance hat Thorwaldsen noch, wenn er jetzt nicht schießt? Keine! Ob er das weiß? Er wird mich in den Rücken schießen, links, ein glatter Herzschuß. Es wird nicht weh tun, ich werde nur den Einschlag spüren, dumpf, wie ein Hammerschlag. Dann wird die Sonne schwarz werden wie meine Haut …
    Aber Thorwaldsen schoß nicht, obwohl der gebeugte Rücken dazu einlud. Malanga riß sein Gewehr hoch und wirbelte herum. In seinen Augen stand fast Traurigkeit, als er Thorwaldsen wieder ansah.
    »Gott mit Ihnen!« sagte er.
    »Oha!« Thorwaldsen lächelte gequält. »Warum Gott?«
    »Ich bin getaufter Christ.«
    »Dann haben Sie eine Hilfe mehr, Doc. Ich bin aus der Kirche ausgetreten.«
    »Warum, Sir?«
    »Das ist jetzt nicht so wichtig. Die Zeit rennt. Wir müssen unsere Jagd vorschieben. Sagen wir jetzt: Punkt sieben Uhr sind Sie und ich Freiwild.«
    »Einverstanden.« Malanga nahm sein Gewehr unter den Arm, wandte sich ab und ging den Fluß entlang. Bevor er im Schilf verschwand, schaute er sich noch einmal um. Thorwaldsen stand noch auf demselben Fleck und starrte ihm nach. »Trotzdem – Gott mit Ihnen!« rief ihm Malanga zu. Dann brach er in das über zwei Meter hohe Schilf ein.
    Thorwaldsen wollte sich gerade abwenden und hinein in die Savanne laufen, um sich einen Platz zu suchen, von dem aus er in aller Ruhe den heranschleichenden Malanga beobachten und unschädlich machen konnte, als er im Schilf einen leisen Aufschrei, ein lautes Rascheln und Knacken und dann einen dumpfen Ruf hörte. Thorwaldsen sah auf die Uhr. Noch zehn Minuten bis zur tödlichen Jagd! War das ein gemeiner Trick Malangas? Wollte er ihn ins Schilf locken? Er nahm das Gewehr in Anschlag und kam langsam ein paar Schritt auf den Schilfwald zu. »Wo sind Sie?« rief er dabei. »Machen Sie keine Dummheiten, Malanga!«
    Keine Antwort. Die Impala-Herde zog von der Tränke wieder zurück in die Savanne, dafür erschienen Wasserböcke und neun Zebras am Fluß. Thorwaldsen blieb vor dem dichten Schilf stehen.
    »Malanga!« rief er. »Wo sind Sie? Wenn Sie glauben, mit solchen Mätzchen Zeit zu gewinnen und mich als Zielscheibe hinzustellen …«
    Im Schilf antworteten ihm Rascheln und brechende Zweige. Dann klang irgendwoher Malangas Stimme, weit weg, wie aus der Erde, dumpf, als halte ihm jemand den Mund zu.
    Thorwaldsen, an tausend Überraschungen im Busch gewöhnt, zögerte nicht länger. Er schob sich in das Schilf, nicht schnell, sondern Schritt um Schritt, sich vortastend, mit aufs äußerste geschärften Sinnen. Jedes Geräusch, jedes Plätschern oder Knacken dröhnte jetzt an sein Ohr wie durch einen Verstärker. Sieben Jahre Wildnis … da werden Augen und Ohren zu hochempfindlichen Instrumenten. Und dennoch zuckte Thorwaldsen zusammen, als plötzlich vor ihm, keine zehn Schritte entfernt, die Stimme Malangas aus der Tiefe klang.
    »Hier, Sir … kommen Sie … Vorsichtig … noch ein paar Schritte …«
    Thorwaldsen schlich weiter. Dann sah er vor sich eine große, eingebrochene Erdgrube, einen kreisrunden Trichter im Boden, aus dem Malangas Stimme klang. Er kniete nieder und kroch an den Rand der Grube heran. Unten, über drei Meter tief, in einem Gewirr zusammengebrochener Zweige, Schilfmatten, geflochtener Äste und zusammengesteckten Grases

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