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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hubschrauber sie dreimal überflogen hatte – zunächst aus der Luft versorgt. Pater Fritz und vier andere Männer ruderten auf dem Floß von Robert Sander herum, entdeckten noch mehr schwimmende Inseln, kehrten aber immer wieder entmutigt zurück.
    »Es ist zum Verzweifeln«, sagte Pater Fritz zu den anderen Gefangenen. »Der schmale Landweg, über den die Bwambas aus den Sümpfen gezogen sind, ist nicht zu entdecken. Wie sie von der sogenannten Königsinsel weggekommen sind, ist fast ein Rätsel. Überall nur grundloser Sumpfboden.«
    »Suchen wir weiter, Pater.« Einer der Männer, der bei einer Eisenbahntruppe gearbeitet hatte und eine neue Strecke nach Kijura ausbaute, eine Kleinbahn für die Pflanzungen, hieb sich wütend auf die Schenkel. »Weggeflogen sind sie nicht, also muß es einen Weg geben.«
    Die Hilfe von draußen ließ ebenfalls auf sich warten. Außerhalb der Sümpfe stand man vor dem gleichen Problem: Wie kommt man zu den Inseln? Der Major der Regierungstruppen, die diesen Abschnitt besetzt hatten, befragte in guter alter Manier die Bantubauern, die den Durchzug der Bwambas überlebt hatten. Er ließ sie zunächst peitschen, dann Pfeffer in die aufgeplatzte Haut streuen. Die Bauern brüllten vor Schmerz, aber einen Weg in die Sümpfe kannten auch sie nicht.
    »Es war Budumba, der sie führte«, schrien sie. »Er hat die großen Geister bei sich!«
    Der Major zuckte die Schultern und ließ die Bauern wegschaffen. Dann telefonierte er mit dem Kommando in Fort Portal und schlug vor, die Weißen durch Hubschrauber gruppenweise ausfliegen zu lassen.
    »Das ist unmöglich«, antwortete ihm ein Hauptmann aus dem Hauptquartier. »Wir brauchen die Maschinen zur Bekämpfung der Rebellen. Außerdem hat man schon neun Hubschrauber abgeschossen. Die Weißen müssen warten, bis die Rebellen vernichtet sind.«
    Die Gefangenen erfuhren diesen Entschluß durch ein Funkgerät, das man mit einigen Säcken voll Lebensmitteln über der Insel abwarf. Das Gerät war auf die Frequenz des Militärfunkverkehrs eingestellt, und Pater Fritz begann sofort, die Verbindung zu Fort Portal aufzunehmen.
    »Wir haben hier neunundvierzig Frauen und siebenundzwanzig Kinder«, funkte er ins Hauptquartier. »Wenn man wenigstens sie aus dem Sumpf holt!«
    In Fort Portal gab man keine Antwort mehr. Dafür brummten täglich zwei Hubschrauber über den Sumpf und warfen Ballen mit Büchsen, Mehl, Zucker und Milchpulver ab.
    »Das gibt eine dicke diplomatische Beschwerde«, sagte ein hagerer Mann, der bisher still in der großen Männerhütte gelebt hatte. »Bis jetzt habe ich geschwiegen, weil die Lage unübersichtlich war. Aber jetzt will man nicht. Ich bin Angehöriger der holländischen Handelsmission. Ich lasse mir das nicht bieten!« Und plötzlich sprang er auf, brüllte und warf die Arme um sich. »Ich will hier heraus! Ich protestiere! Ich bin Holländer. Ich pro-tes-tie-re!!«
    Vier Männer hatten Mühe, den Tobenden festzuhalten und auf die Erde zu drücken. Da man keinerlei Medikamente hatte, entschloß man sich, ein altes Hausmittel anzuwenden, um den um sich Schlagenden zu besänftigen: Man schlug ihm mit einem Knüppel auf den Kopf.
    Ingeborg Kraemer war in diesen Tagen immer stiller geworden. Sie saß an ihrer Schreibmaschine und tippte ununterbrochen. Nachdem nun Klarheit herrschte, daß die Bwambas Robert Sander und seine Schwester Gisela mitgenommen hatten, als einzige weiße Gefangene, hatte sie wieder Hoffnung, Robert noch einmal zu sehen. Wenn man ihn hätte töten wollen, wäre das sofort geschehen; daß man ihn mit in die Mondberge schleppte, war ein Beweis, daß Budumba ihn brauchte, daß Robert für ihn wertvoller war als alle anderen weißen Gefangenen zusammen.
    Nun saß sie in Roberts Hütte auf der Sumpfinsel und schrieb die Geschichte ihrer Liebe. Es war kein Roman und auch kein Bericht; es war eine zärtliche, ergreifende Unterhaltung mit dem Mann, der irgendwo dort in der Ferne mit Tausenden von Bantus zu den schneebedeckten Gipfeln des Ruwenzori zog. Es war ein Gespräch mit Robert Sander, in dem sie ihm alles sagte, was sie bisher verschwiegen hatte.
    Ihre Kindheit. Ihre erste Schülerliebe. Die Jahre als Volontärin bei der Zeitung. Der erste Mann in ihrem Leben. Der zweite, den sie heiraten wollte und der schon verheiratet war. Der dritte, ein Kollege, der mit dem Flugzeug über Südamerika abstürzte.
    Manchmal unterbrach sie ihre Arbeit und las alle Seiten noch einmal durch. Wieviel man schon erlebt

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