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In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

Titel: In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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Überfahrt zurück nach Hamburg erleben werde. Tolle Geschichte. Wie dramatisch und wie menschlich zugleich. Nur ein Drecksack wie ich erzählt der einzigen Person, auf die er gegenwärtig zählen kann, derartige Lügenmärchen.
    Tracks folgten auf Tracks und ich nahm kaum wahr, wie die Zeit verging. Der Alltag war für Augenblicke vergessen und ich rätselte wieder einmal über die Wahrheit hinter den Vorhängen, die mich umgaben. Manzio — Paul Lichtmann — Hausmeister Mahr — Talitha Kumi — der silberhaarige Erzbischof Gruber — Paul Lichtmann — Manzio — Talitha — Hausmeister Mahr — Paul Lichtmann... Paul Lichtmann. Alles schien sich um ihn zu drehen. Diesen Eindruck hinterließ auf jeden Fall die Unterhaltung zwischen dem Erzbischof und Mahr.
    Evelyn schaltete die Musik ab. Ihr Körper war mit Schweiß bedeckt, als wäre sie einem Swimmingpool entstiegen.
    »Ich lebe«, sagte sie und sah mich lachend, befriedigt an.
    »Wie gut für mich, dass ich dafür nicht sorgen musste«, erwiderte ich ironisch. »Ich würde jetzt eine Ambulanz brauchen.«
    Sie lachte und fuhr mit den Händen durch ihr Haar, das zu jeder Tages- oder Nachtzeit in alle Richtungen stand, außer sie band es zu einem Bündel zusammen.
    »Deine Stereoanlage ist irgendwie kaputt«, rief mir Evelyn aus dem Badezimmer zu, während sie unter die Dusche stieg. »Wenn man auf Pause oder auf Stopp drückt, aber die CD drin lässt, schaltet sie sich nach paar Minuten wieder ein.«
    »Ist vermutlich nur irgendeine Einstellung«, entgegnete ich und blätterte in einer Zeitschrift.
    Ich lauschte dem Wasser der Dusche, während es gegen die Plastikplane und die Emaillewanne trommelte. Ich hörte, wie es in einer gänzlich anderen Tonlage gegen Evelyns nackten Körper prasselte.
    Den Gedanken daran, das Geheimnis auf eigene Faust zu lüften, vertrieb ich schnell. Ich führte hier ein sehr bequemes Leben. Und ich hatte vom ersten Tag an die Sorge, dass diese Konstruktion in sich zusammenfällt, wenn ich anfange, darin herumzustochern.
    Der Game Boy ließ mich seit meiner Ankunft in Hamburg ebenfalls im Stich. Das Gerät schwieg und verwandelte sich in ein dickköpfiges, stummes Stück Plastik.
    Ich vermutete inzwischen, dass das Rätsel sich niemals auflösen sollte, da die betreffenden Schlüsselfiguren Paul Lichtmann, Manzio und die unbekannte Frau, die ich zuletzt im Rückspiegel des Kleinbusses sah, während ich wegfuhr, tot waren. Darum ist niemand hierhergekommen, um mir zu erklären, wer die thailändischen Mädchen waren, wer Manzio wirklich war, was vor sich ging. Gerade was Manzio betraf, war ich über diesen Gedanken manchmal sehr betrübt.
    Es ist seltsam, mit einem Rätsel zu leben. Man kann es nicht lösen, aber auch nicht ignorieren. Man kann es niemanden erklären, denn es ergibt keinen Sinn. Außer in dem einen Moment des Zweifels auf dem Münchner Hauptbahnhof, hatte ich niemals wieder daran gedacht, zur Polizei zu gehen. Es gibt Angelegenheiten, mit denen geht man zur Polizei. Aber damit? Es tat nicht einmal weh.
    Ich hatte früher in einer sterilen Stadt gelebt, in einem seltsamen Haus auf vierundzwanzig Quadratmetern vegetiert, mit Kartons, die sich bis zur Decke stapelten — ich war allein und ständig stoned. Tagsüber saß ich als Buchhalter in einer der belanglosesten Firmen des Universums. Und nun plötzlich bewohnte ich dieses Riesenappartement in St. Pauli, das jemand für mich bezahlte. Ich hatte eine Geliebte, die aus einem William-Gibson-Roman stammen konnte. Ich ging jeden Abend zu Vernissagen und trieb mich in Nachtclubs herum. Wer würde da zur Polizei gehen? Damit diese mir dann helfen könnte, mein altes Leben wiederzubekommen? Danke, danke, aber Elvis hat das Gebäude verlassen.
    Ich wählte das Leben mit dem Geheimnis und begann nach Monaten anzunehmen, dass es nie gelüftet werden würde. Dass es einen komplexen Plan gab, der mich zwar damals einbezog, aber irgendein Glied in der Kette gebrochen war und ich deshalb isoliert auf diesem gemütlichen Warteposten hing.
    Wer bezahlte aber den Strom und das Telefon?
    Es mochte Konten geben. Von diesen Konten wurden womöglich jeden Monat automatisch Überweisungen und Lastschriften transferiert, ungeachtet dessen, dass die Besitzer der Konten verschwunden oder tot waren.
    Ich konnte die wenigen Fakten, die mir zur Verfügung standen wieder und immer wieder wie Kaffee durch die Mühle meiner Überlegungen mahlen, die Wahrheit blieb im Schatten. Meine Gedanken

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