In der Falle - Leino, M: In der Falle
Ehrlichkeit standen auf dem Prüfstand, und normalerweise hätte er gewusst, was er zu tun hatte, aber da war eben seine Familie: Reetta und die Kinder. Der Mann, der vor gut zwei Monaten zu ihm Kontakt aufgenommen hatte, hatte ihn erschüttert. Er hatte fast alles über sie gewusst. Und wenn er nicht machte, was man von ihm verlangte, würde seine Familie dafür bezahlen. Yli-Hemmo warf noch einmal einen Blick auf die SMS. Nein, er hatte sich nicht vertan, die beiden letzten Stellen des Kennzeichens wichen voneinander ab.
Als Yli-Hemmo das Handy in die Tasche schob, hatte er seine Entscheidung getroffen. Er würde nichts sagen und nichts tun. Das war es schließlich, was man von ihm verlangte. Er würde beide LKWs durchlassen, den einen auf Wunsch der Polizei, den anderen auf Wunsch der Schmuggler. Er konnte nur hoffen, dass die Polizei ihren Fehler noch selbst bemerkte. Er würde sich nicht einmischen. Die Familie war wichtiger. Hätte der Mann, der ihn erpresste, nur ihn selbst bedroht, hätte er sich vielleicht umgebracht.
»Sieh an, zwei Weizen-LKWs nach Schweden.«
Yli-Hemmo kam zu sich. Kemppi saß am Nachbartisch. Yli-Hemmo warf wieder einen Blick auf die Monitore. Der Weizen-LKW, zu dem er die SMS bekommen hatte, war gerade ans Ende der Schlange nach Westen gerollt.
»Was meinst du, durchleuchten?«, fragte Kemppi.
»Nein, lass ihn durch«, sagte Yli-Hemmo so leichthin, wie es ihm möglich war. »Nimm den dritten da. Ich hab gerade nachgesehen: eine russische Spedition, und der Empfänger ist die Firma eines Russen. Lass ihn auf die Waage fahren, ich hab so meine Zweifel, was die Ladung betrifft. CDs, und schau dir die Menge an – ein bisschen wenig für die Containergröße. Wenn die Waage was Komisches zeigt, nehmen wir ihn in die Röhre.«
»Piraterie, oder was denkst du?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Yli-Hemmo und schaute auf die Uhr. Sie zeigte 12.16 Uhr. »Lass ihn uns anschauen, ich spür da so ein Jucken.«
»Okay«, sagte Kemppi.
Yli-Hemmo holte das Bild auf dem entsprechenden Monitor näher heran. Jetzt sah man das Führerhaus des Weizen-LKW. Der Fahrer war eindeutig ein Russe. Ein dunkelhaariger Mann mit einem ungepflegten Bart. Lange, wellige Haare umrahmten das schmale Gesicht. Er trug eine Sonnenbrille, dennoch hatte Yli-Hemmo das Gefühl, dass der Mann ihn ansah und dabei lächelte.
Kivi erschien am Nachmittag an der Tür von Viitasalos Zimmer. Die Nachricht von seiner Kündigung hatte sich schnell herumgesprochen.
»Du willst uns wirklich verlassen?«
Viitasalo nickte. »Einen Monat müsst ihr mich noch ertragen. So weit bin ich Tuomisto entgegengekommen.«
»Schade.« Kivi räusperte sich. »Obwohl wir in letzter Zeit nicht viel zusammengearbeitet haben … ich werd dich vermissen. Aber alles Gute. Wir sehen uns.«
Kivi war verschwunden, bevor Viitasalo etwas erwidern konnte.
Demirchyan bereitete sich auf einen Schlag vor, indem er aufmerksam übers Fairway schaute und Rasenschnipsel in die Luft warf. Sie hatten erst ein Drittel des Platzes hinter sich. Als er Koljakov im Anzug und in normalen Straßenschuhen hatte kommen sehen, hatte Demirchyan sich damit begnügt, dass er ihm Gesellschaft leistete.
Koljakov wusste inzwischen, dass der Platz der erste 18-Loch-Golfplatz in Russland war, der internationalem Standard entsprach. Demirchyan hatte ihm einen detaillierten Vortrag über den Platz und die Gebäude gehalten, die ihn umgaben. Die Geschichte war, wie nicht anders zu erwarten, lang und verzweigt gewesen und hatte irgendwo im 18. Jahrhundert begonnen. Am Ende war der Bau des schon in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geplanten Golfplatzes in den 90er Jahren endlich in Gang gekommen und nach mancherlei Finanzierungsproblemen mit Hilfe finnischer Experten 1994 abgeschlossen worden. Die Ansammlung massiger zweistöckiger Blockhausvillen auf der Südseite des Platzes war auch den Finnen zu verdanken. Seine eigene Villa auf der Nordseite habe er Anfang 2000 bei einer schwedischen Firma in finnischem Besitz in Auftrag gegeben. Die Firma gebe es nicht mehr, aber er habe sich während des Baus mit dem finnischen Besitzer angefreundet und mit ihm immer noch regelmäßig Kontakt. Demirchyan erwähnte den Namen seines finnischen Freundes nicht. Er hatte nur kurz gelacht und Koljakov gefragt, ob er es nicht verwunderlich finde, dass ein so kleines Land wie Finnland so unmittelbar sichtbaren Einfluss auf das heutige Russland habe. Koljakov hatte das bejaht
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