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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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nach Schweden gegangen sei, zuckte er die Achseln und ging jemand anderen suchen, der ihm Bier und Schnaps spendierte. Wirklich vermisst wurde Vater nur von Mutter, die immer noch jeden Freitag die Bettwäsche auf beiden Seiten des Ehebetts wechselte.
    Sie sprach davon, sich beim Arbeitsamt für einen Kurs zu bewerben, aber nicht jetzt, erst wenn Vater wieder zu Hause wäre. Was das für ein Kurs sein sollte, wusste Vesa nicht, aber sie schien entschlossen, einen Neuanfang zu versuchen. Sie und Arto würden das schaffen.
    »Ich bin doch erst achtunddreißig, das ist nicht mal die Hälfte des Lebens«, hatte sie irgendwann gesagt, und erst da war Vesa aufgegangen, dass Mutter ja noch verhältnismäßig jung war. Er hatte sich über ihr Alter schon lange keine Gedanken mehr gemacht. Wäre sie für ihn nicht alterslos gewesen, hätte er zugeben müssen, dass sie älter aussah, als sie war, und verbittert.
    »Vielleicht sieht er endlich ein, dass er in den kriminellen Kreisen nichts verloren hat«, hatte sie ihre Zukunftsgedanken weitergesponnen. »So was muss ihm doch eine Lehre sein, dass er nicht sein ganzes Leben lang so weitermachen kann. Und du auch nicht!«, hatte sie zu Vesa gesagt. »Ich will mir nicht auch noch wegen dir dauernd Sorgen machen.«
    Sorgen, hatte Vesa gedacht. Früher hätte sie sich Sorgen um ihn machen sollen, als er im Fahrradkeller geschlafen hatte, weil er sich nicht nach Hause traute. Da hatten sie nicht mal nach ihm gesucht. Und sie wussten, dass er im Dunkeln Angst hatte. Manchmal, wenn das Licht ausging, hatte er sich nicht mal mehr getraut, aufzustehen und wieder den orangerot leuchtenden Lichtschalter zu drücken. Er hatte im Dunkeln gesessen, und überall waren diese schrecklichen Monster, auch wenn er wusste, dass sie sich am Morgen als Fahrräder oder irgendwelches Gerümpel entpuppten. In den Heizungsrohren hatte es geflüstert, das waren die Toten, stellte er sich vor, und das Herz in seiner Brust hatte gehämmert, als wollte es ihm den Brustkorb sprengen. Wenn nicht das, dann würden ihn die Monster in Stücke reißen. Oft war er sich ganz sicher gewesen, dass er im Keller sterben würde, von allen unbemerkt, weil es niemanden gab, dem sein Tod etwas ausmachte. Und trotz alldem hatte er sich sehr wohl Sorgen gemacht: um Mutter und darüber, was Vater ihr alles antun könnte, dort oben in der Wohnung, die sein elendes Zuhause war.
    Spät genug wollte sie sich wegen ihm keine Sorgen mehr machen. Das letzte Mal hatte sie vor seiner kurzen Reise mit Tiina davon gesprochen, von ihren Sorgen um ihn und ihren Plänen für einen neuen Anfang, von dem sie erst jetzt überhaupt begreife, dass er noch möglich sei. Wenn nur Arto bald wieder nach Hause käme.
    »Vielleicht kann er schon Weihnachten kommen. – Und wir haben nicht mal einen Weihnachtsbaum«, hatte sie plötzlich ausgerufen und die Hände vors Gesicht geschlagen. »Den hat immer Arto mitgebracht.«
    »Wenn wir zurück sind, besorg ich einen. Er kommt bestimmt nicht bis Weihnachten, das kann ich mir nicht vorstellen. Am Montag hol ich einen aus dem Einkaufszentrum«, hatte Vesa versprochen und sein Versprechen gehalten.
     
    Der Tannenbaum stand noch ungeschmückt in der Wohnzimmerecke, weil Mutter zwar den Christbaumständer, aber nicht die Schachtel mit dem Weihnachtsschmuck gefunden hatte, dabei habe sie das komplette Kellerabteil auf den Gang und wieder zurückgeräumt, wie sie erklärte. Arto hätte gewusst, wo die Schachtel war.
    »Soll ich ihn vorlesen?«, fragte Mutter, als sie den Brief mit zitternden Händen geöffnet hatte.
    Vesa nickte, und Mutter wischte sich mit einer schnellen Handbewegung die Augen. Dann spannte sie den Briefbogen zum Zerreißen.
    »Hallo, Anita! Mache dir keine Sorgen, es geht mir gut hier in Schweden« , las sie, und man hörte, dass sie darin wenig Übung hatte. »Die Dinge sind gelaufen, wie sie gelaufen sind. Aber ich musste etwas unternehmen, damit mir nicht die Mittel ausgehen, so ist das in dem Geschäft. Ich kann dir nicht genauer sagen, wo ich bin, weil es besser ist, wenn du es nicht weißt. Ich will auch nicht das Risiko eingehen, dich anzurufen. Wenn Vesa die Sache mit diesen Vollidioten geregelt hat, komme ich zurück. Ich sehne mich nach zu Hause und vor allem nach dir, aber ich muss stark bleiben. Du kennst mich, so schnell kriegt man mich nicht klein …«
    Es ging noch eine Weile so weiter, es war Vaters übliche Mischung aus Angeberei und Schimpftiraden. Vesa brauchte nicht

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