In der Glut der Leidenschaft
jedoch nur den Zorn, der in ihm siedete. Er lächelte geringschätzig und trank noch einen Schluck. Wie stolz war er doch immer auf seine Selbstbeherrschung, die Leute in seiner Nähe, seine Schiffe und vor allem auf sich selbst gewesen. Doch heute Abend hatte sich seine Fähigkeit, seine Gefühle im Griff zu halten, verabschiedet.
Ich brauche keinen Mann wie Euch in meinem Leben, Rein Montegomery...
Er lachte verächtlich. Sie brauchte ihn nicht. Kein Bedürfnis. Das Mädchen hatte wahrscheinlich gar keine Bedürfnisse.
Es milderte seinen Zorn nicht, dass Michaela gut daran tat, ihn abzulehnen. Aber wollte er sie für einige schöne Stunden, einen verstohlenen Kuss oder eine heimliche Unterhaltung ruinieren?
Vielleicht fand sie in diesem Winter einen standesgemäßen Partner. Doch allein schon bei dem Gedanken daran kam ihm die Galle hoch. Nur selten näherte er sich so tugendhaften Frauen. Für gewöhnlich befriedigte er seine Lust bei Huren. Bei ihnen gab es keine Verpflichtungen, und sie stellten auch keine Ansprüche an Hautfarbe oder Herkunft. Ließ er sich mit ihnen ein, blieb nichts zurück.
Lange starrte er auf die Flasche, ehe er sie gegen die Kabinenwand schleuderte. Die Scherben fielen klirrend zu Boden. Rein strich sich durchs Haar, rieb sich den Nacken und wankte zum Schreibtisch.
Es klopfte.
»Verschwindet!«
Die Tür öffnete sich. Temple warf einen Blick in die Kabine und runzelte die Stirn über Reins Aussehen. Er trug keinen Mantel, das Wams war geöffnet, und das Hemd hing aus der Hose.
Rein warf ihm einen finsteren Blick zu. Der Mann war offenbar zu dumm, um zu erkennen, dass er ungelegen kam.
»Wolltest du nicht den Abend beim Earl verbringen?«
Rein ließ sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch fallen und legte die Füße auf die Tischplatte.
Er öffnete eine zweite Flasche, trank einen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ein Abend in einem Haus, in dem die letzte Hure neben einer der Damen verblasst ... ich weiß nicht...« Er zuckte mit den Schultern. »Das war nicht das Wahre.« Schließlich besaß er trotz allem Stolz, der ihm jedoch nichts nützte. Auch Geld und Macht halfen ihm nichts. Er war noch immer allein.
Temple kam näher.
»Verschwinde!«
»Was denn, Freund, ich soll dich allein leiden lassen? Nicht im Traum.« Als er einen abweisenden Blick von Rein auffing, lenkte er ein. »Allerdings hat es auch seine Vorteile, wenn man allein leidet«, meinte er, verließ die Kabine und schloss die Tür.
Rein stellte die Flasche auf seinen Bauch. Das Glas klickte gegen das Medaillon unter dem Hemd. Seine Miene verdüsterte sich noch weiter. Der Abend hatte nur einen einzigen Lichtblick gebracht. Germain, dieser hochnäsige Bastard, war nicht sein Vater. Das sollte ihn eigentlich freuen, aber Rein ärgerte sich darüber, dass er unbedingt den Mann finden wollte, dessen Blut in seinen Adern floss. Nach der Begegnung mit Michaela war er noch entschlossener als vorher, diese Qualen zu beenden.
Ich finde dich, Vater, dachte er betrunken, und vielleicht zermalme ich dich.
Sein Blick fiel auf die Jacke, die er achtlos auf den Tisch geworfen hatte. Er zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, als er sich daran erinnerte, wie Michaela das Kleidungsstück um ihre zarte Gestalt gezogen hatte. Es wäre besser gewesen, er hätte darauf verzichtet, doch er griff nach der Jacke und drückte sie an sein Gesicht. Michaelas Duft hing noch im Stoff. Die Sehnsucht nach ihr war überwältigend. Trotzdem wollte er nie wieder in ihre Nähe kommen. Er verstand besser als jeder andere, was Vermutungen, Spekulationen und Gerüchte anrichten konnten.
Nein, er ließ nicht zu, dass noch eine Frau starb, weil sie befleckt worden war.
Lieber hätte er sein Leben hingegeben.
Lady Katherine stieg aus ihrer Kutsche, blieb am Landungssteg stehen und biss sich auf die Unterlippe, während sie die Männer betrachtete, die an der Mole Segel flickten und Gin tranken. Bewundernde Blicke flogen ihr zu. Obwohl sich ihr der Magen schon bei der Vorstellung zusammenzog, diese Männer könnten sie berühren, antwortete sie mit einem höflichen Kopfnicken, ehe sie den Steg betrat. Die White Empress war sicher vertäut, die Segel waren eingerollt, und an Deck hielt sich nur das Pferd auf. Es ärgerte sie, dass dieser Kerl sein Pferd verwöhnte, sie jedoch abwies. Heute war sie hier, um das zu ändern, und Rein erschien prompt, als sie den Fuß an Deck setzte. Sein Haar war
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