In der Hitze der Stadt
eine etwa 30-jährige, hübsche Frau in wallendem Leinenkleid und griechischen Sandalen den Gehsteig entlanggehen sah. Er machte sich ein Stückchen breiter, als er eh schon war. Als sie aber mit starrem Kopf achtlos an ihm vorbeiging, fiel auch er in den Stuhl zurück.
Aus dem ilcaffè kam Gianni, der Besitzer der perfekt in Schuss gehaltenen Kaffeebar, mit Getränken für einen anderen Tisch. Er blieb aber bei seinen liebsten Gästen stehen, stützte seine freie Hand in die Hüfte und schüttelte den Kopf. »Na, ihr seid aber lustige Figuren.«
Danner sah kurz hin, wie Gianni mit betontem Kontrapost, dem Knicks in der Hüfte wie man ihn bei Michelangelos David kennt, die Augenbrauen lupfte. Dann drehte er den Kopf wieder auf die Straße.
»Mein Gott! Was ist denn los mit euch?«, konnte es der Barista nicht fassen.
Heinzmann griff mit verschwitzter Hand an die Sonnenblende seiner Polizistenmütze. Er zog sie vom Kopf und legte sie fein säuberlich auf den Tisch. Fürsorglich strich er den Hut frei von Fusseln. »Gianni?«, fragte er beiläufig, »brauchst du eine neue Bedienung?«
»Wir sind zwar genug Leute im Team, aber eine gute Bedienung kann ich immer brauchen. Hübsch muss er einfach sein.«
»Kann ich also morgen bei dir anfangen?«
»Pffahaha«, prustete Gianni los. »Du?« Es schüttelte ihn so stark, dass ihm beinahe die Getränke vom Tablett fielen. »Hübsch muss er sein, hab ich doch gesagt, hihi.« Damit drehte er sich wie ein Model am Ende des Laufstegs und stelzte davon, um zwei Gäste am Ende der Stuhlreihe zu bedienen.
Das gab den vier Freunden den Rest. Die letzten Überbleibsel von Zuversicht verabschiedeten sich aus ihren Gesichtern.
Damit war ein neuer Tiefpunkt für die beiden Basler, den Zürcher und den Tessiner erreicht, seit sie sich um13 Uhr im ilcaffè getroffen hatten. Baumer hatte auf diesen Ort gedrängt, denn er brauchte dringend einen richtig guten Kaffee. Auch hatte er eines oder zwei der übergroßen Croissants essen wollen, die dort angeboten wurden. Das genügte ihm meist als Frühstück und Mittagessen zugleich. Da offenbar viele Leute in der Hitze keine Lust auf ein stämmiges Mittagessen gehabt hatten und die gleiche Idee gehabt hatten, waren die Gipfel bereits aus gewesen. Irgendwie war das schon ein Zeichen gewesen, für das, was dann noch kommen sollte.
Es war in der Tat knüppeldick gekommen.
Kaum waren alle im ilcaffè versammelt gewesen, hatte als Erster Heinzmann seine Abreibung bekommen. Ein subalterner Beamter im Polizeidepartement hatte angerufen. Heinzmann hatte den Lautsprecher am Handy eingeschaltet, damit seine Freunde mithören konnten. Er war davon ausgegangen, dass wichtige Information über den Mordfall Emine Azoglu dabei sein könnten. Mitgeteilt wurde ihm aber nur, dass Schneider gegen ihn ein Disziplinarverfahren eröffnet hatte.
»Im Auftrag vom Herrn Kommandanten Daniel Schneider teile ich Ihnen mit, dass Sie ab sofort und bis auf Weiteres vom Dienst suspendiert sind«, knirschte der Beamte. Dann legte er grußlos auf.
Stefan Heinzmann hatte unterbewusst schon so etwas erwartet. Ohne äußerliche Regung nahm er seine drohende Entlassung zur Kenntnis. Diese Suspension war schlimm, aber erschütternder war, dass ein junges Mädchen ermordet worden war. Das rechtfertigte unkonventionelle Ermittlungsmethoden, fand Heinzmann. Er hatte daher nur kurz geschnauft und war dann in seinem Bericht an Kommissar Baumer und die anderen fortgefahren.
Von seinem Treffen mit der Mutter des Mädchens hatte er berichtet. Die Resultate waren wenig ergiebig gewesen. Das Gespräch hatte kaum neue Fakten ans Tageslicht gebracht. Alles, was er hatte, war eine Vermutung. Was vermutete er? Dass der Vater der Täter war.
Danner war der Nächste gewesen, der berichtet hatte. Er hatte es kurz gemacht. »Azoglu hat seinen Bruder angerufen, er solle ihn treffen. Aber er hat ihn nicht einmal über den Tod seines Kindes informiert. Ich finde das nicht normal.« Das fanden seine Kumpels auch. Ein solches Verhalten machte Erin Azoglu weiter verdächtig. Er schien bereits abgeschlossen zu haben mit dem Tod seines Kindes, so als hätte er selbst ihn schon lange beschlossen.
Danner dachte schon einen Schritt weiter. »Vielleicht lügt der Bruder aber auch nur. Heinzmann vermutet doch, dass es ein Ehrenmord war. Den könnte also auch der Bruder verübt haben, aber nun will der den Mord dem weniger erfolgreichen Azoglu in die Schuhe schieben.«
Baumer notierte in seinem Hirn:
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