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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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Leitung. »Nino ist ein Arsch!«
    Jetzt nur nichts sagen, nur warten, warten, dachte Danner. Lass das Mädchen reden.
    »Der Scheißkerl liebt sie doch gar nicht.«
    »Tja, die Liebe«, machte Danner.
    »Dieser Mongole weiß doch gar nicht, was das ist«, wurde das sonst so lethargische und stille Mädchen immer lauter. »Der hat alle angemacht. Eine nach der anderen. Und jede hat er weggeschmissen, als wären es alte Socken.«
    »Der muss ein echter Arsch sein«, wollte der Zürcher das Mädchen am Reden halten.
    Doch so schnell wie sie aufgebraust war, legte sich ihre Wut wieder. Zumindest konnte Danner in der Stimme des Mädchens keinen Hass mehr erkennen, als sie fortfuhr. »Sonst noch was?«, sagte sie eisig.
    »Nein, das ist schon alles.«
    Wie zur Bestätigung ihrer eigenen Worte sagte das Mädchen: »Nino braucht mal eine Abreibung. Der macht sich an alle ran.«
    »Hat er sich auch an dich rangemacht?«
    Das Mädchen sagte nichts.
    Rolf Danner ließ dem Mädchen Zeit, wartete eine Antwort ab. Es kam nichts. Dieses Schweigen von Tanja löste erstaunlicherweise keinen weiteren Gedanken bei ihm aus. Hatte er seine Kombinationsgabe in der Hitze verloren?
    »Also, sonst noch was?«, machte die junge Serbin.
    Nein, es gab nichts mehr zu fragen. Der Zürcher Journalist glaubte, alles erfahren zu haben, was er wissen wollte. Und es war ganz einfach gewesen. Das war nicht bei allen Recherchen der Fall. Viele Basler Münder verschlossen sich indigniert vor ihm, wenn er recherchierte. Selbst Behördenvertreter, zu deren Funktion es gehört hätte, ihn zu informieren, fanden es nicht selten unter ihrer Würde, mit ihm zu kommunizieren. Doch die meisten harten Schalen hatte er mit seiner interessierten Hartnäckigkeit dann doch erweicht und ihnen Geheimnisse entlockt. Danner spielte alle Rollen, die es braucht, um als Spezialist für Mordfälle Erfolg zu haben. Er beherrschte den »harten Hund« ebenso wie den »jugendlichen Charmeur«, das ganze Repertoire. Wenn es nötig war, zog er dafür sogar seine Brille ab. So weit musste er allerdings selten gehen.
    Von der jungen Serbin hatte er wissen wollen, ob es im Leben der jungen Emine Azoglu einen Verehrer gegeben hatte. Das hatte er erfahren. Tatsächlich gab es diesen gewissen Nino.

    Nur.

    Dieser Nino war der Beschreibung nach kein verzweifelter Typ, der aus enttäuschter Liebe das türkisch-schweizerische Mädchen ermordet haben könnte. Der macht mit allen rum, hatte ihm Tanja erzählt. Und die musste es wissen, war sie doch wohl eine, wenn nicht die beste Freundin der jungen Ermordeten gewesen. Sicherlich hatten sie zusammen über Jungs geredet, hatten sich ausgetauscht, für wen sie sich interessierten, wer lieb und nett und spannend und cool war – und wer nur ein Arsch. Vielleicht gab es sogar so etwas wie einen kleinen oder gar großen Wettstreit um die Gunst der angesagtesten Jungs. Und Nino war angesagt. Wer den an Land ziehen könnte, würde in der schulinternen Rangliste der hippsten Mädchen wohl die Top-Position einnehmen. Wenn jemand wissen konnte, mit wem Mina verbandelt war, dann war es Tanja. Danners Spürnase hatte ihn zur richtigen Gesprächspartnerin geführt.
    Der Journalist vom Blick überschlug das Gespräch nochmals. Er hatte einen neuen Namen erfahren. Aber diese Spur war leider nur lauwarm. Nino war allem Anschein nach kein verzweifelter Verehrer. Der wechselte seine Liebschaften offenbar fast täglich. Was ein Mädchen, dem er das Herz gebrochen hatte, dabei empfinden musste, schien dem völlig egal zu sein. Wenn er eines Girls überdrüssig war, servierte er es kurzerhand ab, flog bereits zur nächsten Blume. Hätte der sich monatelang gegrämt und irgendwann aus Enttäuschung über die Zurückweisung eines Mädchens zum Messer gegriffen? Nein, ein solches Verhalten konnte sich Danner kaum vorstellen. Der Typ war ein Schmetterling, tanzte von einer Blüte zur nächsten. Der war kein stilles, kaltes Wasser, das tief unten brodelt.
    »War’s das jetzt?«, lungerte die Stimme der Jugendlichen in der Hörmuschel.
    Ja, das war’s tatsächlich, dachte Danner. Hat eh keinen Zweck. Aber dann fiel ihm ein: Warum denn nicht das Mädchen fragen, was es weiß? Nie aufgeben! Das war die Devise von Danner. Immer weiter bohren, immer tiefer graben. Irgendwann findet man eine Ader.
    »Was meinst du, Tanja? Wer hat Mina umgebracht?«
    »Der Vater war’s.«
    »Aha. Hm. Warum meinst du, dass es der Vater war?«
    »Weiß nicht. Ich glaube einfach, er

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