In der Hitze der Stadt
gesuchten Schmierfink ertappt hatte. Ohne zu zögern ging er auf Erin Azoglu zu. Er stellte sich breitbeinig vor ihn hin, schaute ihn süffisant an. Azoglu würde jetzt sicher alles zugeben.
»Wollen Sie ein Geständnis ablegen?«, gab Baumer dem Verdächtigen eine Chance.
Der Türke stand nur da, schwieg.
Baumer wurde ungeduldig. »Azoglu. Wenn Sie den Mord von sich aus zugeben, würde Ihnen das sehr vorteilhaft ausgelegt.«
»Ich war nicht. Mich niemand haben gesehen.«
Baumer lächelte tapfer weiter.
Heinzmann ließ seine Tafel, die mit der Zahl 1 beschriftet war, langsam sinken. Er spürte in Baumers Verhalten bereits das Scheitern ihres Versuches, Azoglu zu überführen.
Nummer 2 – der Gefreite Meier – hielt sein Schild hingegen noch tapfer vor seiner Brust.
Der Kommissar spielte seinen letzten Trumpf: »Die Zeugin hat Sie soeben eindeutig erkannt, Azoglu!«
Erin Azoglu begann, milde zu lächeln, kniff seine Augenbrauen leicht zusammen.
»Geben Sie es zu«, Baumer trat einen Schritt nach vorne. »Sie bekommen Hafterleichterungen. Fünf Mal beten am Tag. Internet und Al Jazeera. Kein Schweinefleisch! Nach 3 Monaten schon begleiteten Ausgang in Ihre Moschee. Geben Sie es jetzt zu! Sofort!«
Azoglu sagte: »Ich geben nichts zu. Ich nicht war. Ich nicht brauchen fünf Mal beten in Gefängnis, weil ich nicht komme in Gefängnis.«
Danner ließ sein Schild mit der Nummer 3 fallen. »Scheiße!«
Der Vater von Mina löste sich aus der Gruppe der Figuranten, ging zu einem der Tische und legte dort sein Schildchen ab. Er wandte sich zur Tür. Als er sie öffnete, drehte er sich um, blickte zu den Männern im Raum. Die sahen aus wie geschlagene Hunde. Irgendwie hatte er sogar ein wenig Mitleid mit diesen Figuren. Er wollte sie nicht noch mehr prügeln, aber er konnte es sich nicht verkneifen. »Tschau zsamme«, verabschiedete er sich auf Baseldytsch mit schwerem türkischem Einschlag und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Keiner traute sich, in die Richtung des Türken zu blicken. Einzig Heinzmann schaute ihm mit gerader Haltung und leicht zusammengekniffenen Augen hinterher. Noch vor ein paar Momenten war er unsicher gewesen. Er, der erfahrene Wachtmeister, dem keiner etwas vormachen konnte. Aber dieses arrogante »Tschau zamme« hatte bei ihm jeden letzten Zweifel weggeblasen. Er spürte tief in seinen Eingeweiden, was er schon lange vermutet hatte. Azoglu war’s. Garantiert! Der hartgesottene Polizist musste leise lachen und murmelte dann: »Ciao Azoglu, mein Freund. Wir sehen uns sicher bald schon wieder.« Er war nun überzeugt, den Mörder zu kennen, denn schließlich machte er selten Fehler in der Einschätzung von Gaunern. Er war sich sicher. So sicher, wie man eben sein kann an einem flirrend heißen Tag voller Stress und Horror.
Baumer erschrak: »Anna! Anna ist noch draußen!«
Rasch sprang er zur Tür, riss sie auf und rannte in den Korridor hinaus.
*
Andi Baumer fand Anna bei Anita Blohmstein, der Sekretärin von Regazzoni. Blohmstein war die Geliebte des Gerichtsmediziners. Kurze Zeit waren sie sogar verheiratet gewesen, aber hatten sich rasch wieder scheiden lassen. Die langen Jahre einer heimlichen Affäre hatten ihre Beziehung bereits zu sehr geprägt, als dass sie sich noch in eine richtige Ehe hätten einbringen können.
»Anna!«, fiel Baumer ein Stein vom Herzen. Er war froh, die »Zeugin« wohlbehalten wiederzufinden, und erleichtert, dass sie es geschafft hatte, im Büro der Blohmstein zu verschwinden, ohne nochmals mit Azoglu zusammenzustoßen.
Anna
Die Krankenschwester, die ihn im Krankenhaus gepflegt hatte, als er mit Oberschenkeldurchschuss invalid war. Anna, seine Freundin seit dieser Zeit. Die Frau, die intensive Gefühle für ihn hatte, die er aber nicht in vollem Umfang erwidern konnte – noch nicht.
Sie drehte sich zu ihrem Freund. »Und? Hat er es zugegeben?«
Baumer schnaufte nur, antwortete nicht.
Auch eine Antwort.
Anna drehte sich weg, bedankte sich bei der Sekretärin. »Danke, dass Sie sich um mich gekümmert haben.«
»Gern geschehen«, antwortete die dezent geschminkte Dame, an deren linker Hand zwei prächtige Brillantringe prangten. Sie begann Akten zu ordnen, sagte eindeutig an Baumer gerichtet, obwohl sie ihn nicht anblickte: »Netten Menschen helfe ich immer gerne.« Kommissar Baumer nahm die Spitze gegen ihn nicht wirklich wahr. Es war ihm auch egal. Die Freundin von Regazzoni mochte ihn nicht, hatte ihn noch nie gemocht. Immer
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