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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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auf so eine Selbstmordaktion einlässt. Du bist mein Bruder, geht das in deinen verdammten irischen Hohlkopf? Mein Bruder. Mehr, als Giuseppe oder Paolo es je waren, Gott habe sie selig. Und ich will nicht noch einen Bruder verlieren, hast du mich verstanden?«
    Dion packte Joes Handgelenk, drückte den Pistolenlauf noch tiefer in seinen Hals und schloss die Augen.
    »Übrigens«, sagte er. »Wann fährst du rüber?«
    »Wohin?«
    »Nach Kuba.«
    »Wer sagt denn, dass ich das vorhabe?«
    Dion runzelte die Stirn. »Du hast gerade erfahren, dass die angeblich tote Kleine, nach der du früher so verrückt warst, dreihundert Meilen von hier lebt und sich offenbar bester Gesundheit erfreut – und du willst mir verklickern, dass dich das völlig kaltlässt?«
    Joe nahm die Waffe von Dions Hals und steckte sie ins Holster zurück. Er sah, dass Sals schweißnasses Gesicht aschfahl war. »Ich fahre, sobald Maso wieder den Heimweg antritt. Du kennst ja seinen Hang zum Schwafeln.«
    »Genau darüber wollte ich mit dir sprechen.« Dion schlug das kleine, in Leder gebundene Notizbuch auf, das er stets bei sich hatte, und blätterte darin herum. »An diesem Besuch kommt mir einiges nicht koscher vor.«
    »Zum Beispiel?«
    »Er und seine Jungs haben einen halben Zug in Beschlag genommen. Warum rückt er hier mit einer derartigen Eskorte an?«
    »Er ist alt. Er hat seine persönliche Krankenschwester dabei, wahrscheinlich auch einen Arzt. Und ohne seine vier Gorillas geht er ohnehin nicht mehr aus dem Haus.«
    Dion nickte. »Tja, bloß dass er mit mindestens zwanzig Leuten kommt. Und ich spreche nicht von zwanzig Krankenschwestern. Er hat das Romero Hotel in der Eighth Avenue gemietet. Den kompletten Laden. Warum?«
    »Aus Sicherheitsgründen.«
    »Ach ja? Sonst mietet er doch auch einfach nur eine Etage im Tampa Bay Hotel. Damit ist genauso für seine Sicherheit gesorgt. Wieso ein ganzes Hotel, mitten in Ybor?«
    »Wahrscheinlich Paranoia«, sagte Joe. »Wird auch nicht besser mit dem Alter.«
    Er überlegte, was er zu ihr sagen würde, wenn er sie wiedertraf. Na, kennst du mich noch?
    Oder war das zu abgedroschen?
    »Boss«, sagte Dion, »jetzt hör mir mal eine Sekunde zu. Er hat nicht die Küstenroute genommen, sondern erst mal den Illinois Central und Zwischenstopps in Detroit, Kansas City, Cincinnati und Chicago eingelegt.«
    »Verstehe. Dort, wo seine Whiskey-Lieferanten sitzen.«
    »Aber auch die ganzen Bosse. Diejenigen, die außerhalb von New York und Providence das Sagen haben – tja, und jetzt rate mal, wo er zwei Wochen vorher war.«
    Joe warf seinem Freund einen Blick zu. »New York und Providence.«
    »Genau.«
    »Und was machst du dir für einen Reim darauf?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du glaubst, er will uns abservieren? Und vorher hat er das Einverständnis der anderen Bosse eingeholt?«
    »Möglich wär’s.«
    Joe schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn, D. Innerhalb von fünf Jahren haben wir die Profite vervierfacht. Als wir hier angekommen sind, war Ybor nichts weiter als ein verdammtes Kuhkaff. Letztes Jahr haben wir allein im Rumgeschäft ungefähr elf Millionen Dollar Gewinn gemacht.«
    »Elfeinhalb«, sagte Dion. »Außerdem haben wir die Profite fast verfünffacht.«
    »Warum also etwas aufs Spiel setzen, was bestens funktioniert? Ich kaufe Maso seine ›Joseph-du-bist-wie-ein-Sohn-für-mich‹-Sprüche ebenso wenig ab wie du. Aber er schätzt Zahlen. Und unsere sind erstklassig.«
    Dion nickte. »Du hast recht. Es wäre absurd, uns ausbooten zu wollen. Trotzdem macht mir die Sache Bauchschmerzen.«
    »Das ist bloß die Paella von gestern Abend.«
    Dion lächelte matt. »Mag sein.«
    Joe stand auf und spähte durch die Jalousie hinüber in die Fabrikhalle. Dion hörte das Gras wachsen, aber Dion wurde auch dafür bezahlt, das Gras wachsen zu hören. Letzten Endes, wusste Joe, ging es allen in diesem Geschäft nur um eins – nämlich, so viel Geld wie möglich zu machen. Und Joe machte jede Menge Geld, das säckeweise die Küste hinaufgebracht wurde und im Tresor von Masos Villa in Nahant landete. Jedes Jahr übertraf Joe den Profit des Vorjahres. Keine Frage, Maso war ein skrupelloser Hund und um einiges unberechenbarer, seit sich sein Gesundheitszustand mehr und mehr verschlechtert hatte. Vor allem aber konnte er den Hals nicht voll kriegen. Und Joe stillte seine Gier, sorgte dafür, dass er sich zufrieden über den Bauch streichen konnte. Es gab keinen logischen Grund, weshalb Maso das

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