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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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zurückgeworfen. »Warte«, er hielt eine Hand hoch. »Warte einen Moment. Gib mir mal die Scheißtaschenlampe.«
    Er ließ sich den Schlüsselbund von Eddy geben, hielt die Minitaschenlampe ruhig, sah nicht auf seine Finger, die flink versuchten, eine Waffe zu bauen, in dem er die Schlüssel zwischen seine Finger klemmte, falls Eddy auf Malki losging.
    Er näherte sich der Leiter. Hoffte, warme Folie oder einen angekokelten Löffel auf dem Absatz oben zu finden. Vielleicht war Malki zum Pissen draußen, so war er, er hatte gute Manieren, eigene Vorstellungen, wie etwas sein sollte, er achtete auf Sauberkeit. Er stellte einen Fuß auf die erste Sprosse und zog sich hoch.
    Der schmale Lichtstrahl der Lampe breitete sich auf dem
Absatz vor der Kesselöffnung aus und Pat sah, dass die Klappe offen stand. Er dachte, Malki hätte den Kissenbezug befreit und wäre selbst abgehauen, doch dann machte er einen weiteren Schritt vorwärts und das Licht fuhr in den gewölbten Bauch des Kessels. Ein weißes Bein, eine blaue Kappe, verzerrt, ein blauer Streifen, feucht. Rot.
    Pat umklammerte die staubigen Sprossen fest mit der Hand, sprang die verbleibenden Sprossen hoch, auf den Absatz und hinein in die schwarze Dunkelheit des Kessels.
    Bewegungslos, wie aus Wachs. Malki lag flach auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet wie Jesus, ein Knie seitlich hochgezogen, ein Tänzer im Flug. Pat streckte die Hand nach seiner aus, als sollte er einschlagen. Steif, die Haut war kalt. Der Mund war geöffnet, die Lippen spannten über den Zähnen, trocken. Die Zähne waren trocken.
    Ein donnernder Knall kündigte Eddy an, der auf ihn zugerannt kam, eilig die Leiter hinaufstieg, das stumpfe Licht seines Handys durch das Innere des Kessels schwenkte und dann ruhig hielt. Eddy stand an der Luke, richtete das brutale Licht auf Malkis Gesicht. Es war von roten Sommersprossen übersät. Sie kamen seitlich von seinem Hals, ein zerrupftes Durcheinander aus Haut, etwas war geplatzt, ein Schnitt wie Lippen, nur ungefähr drei Zentimeter lang, aber daher kam das Rote. Eine Lache hatte sich unter Malki gebildet und sein weißer Trainingsanzug hatte sich damit vollgesogen, das Blut fraß sich immer tiefer in den Stoff hinein. Er sah alt aus, sein Kopf wirkte wie ein Totenschädel, aber Pat wusste, dass er nur ein kleiner Junge war.
    Eddy zischte: »Wie kann sich das Arschloch von einem pakistanischen Zwerg überwältigen lassen?«
    Langsam richtete sich Pat auf. Er starrte direkt in den
Lichtstrahl, sein Gesichtsausdruck ließ Eddy taumeln. »Mein Handy …«, sagte Pat ausdruckslos.
    Eddy legte fragend den Kopf schief, als hätte er Pats Gesicht nie zuvor gesehen. Pat schob sich an ihm vorbei, die Leiter hinunter. Seine Schritte dröhnten laut wie Kanonenschüsse, als er zur Tür ging.
    »Äh, Pat?« Eddy rief ihm hinterher, seine Stimme klang schwach, »willst du seine Mama anrufen?«
    Mit großen zielstrebigen Schritten durchquerte Pat die Verpackungshalle bis ins Licht an der Ladebucht. Eddys Stimme war dünn und weit weg.
    »Dann warte ich hier, ja?«
    Pat schob sich unter dem Vordach hindurch, trat auf die betonierte Straße und fing an zu rennen, schneller und immer schneller bis er den Wagen erreicht hatte und ihm ein plötzlicher Adrenalinschub verbot, stehen zu bleiben. Er rannte die dreihundert Meter bis ans Ende der Betonbahn, bückte sich aus Gründen, die er später nicht mehr nachvollziehen konnte, berührte deren Begrenzung und raste zum Wagen zurück. An der Tür angekommen, lief er auf der Stelle, zog die Knie bis zur Brust, schneller, schneller und immer schneller, versuchte mit seinem Herzen Schritt zu halten, hob gleichzeitig die Fäuste und schlug sich auf die Brust. Er keuchte wie eine Frau in den Wehen, wollte den Schmerz ausatmen, wollte ihn verbrennen.
    Vor dreiundzwanzig Jahren hatte Pat auf einem Sofa gesessen, seine Füße reichten nicht einmal bis zur Kante. Tante Annie hatte neben ihm gesessen, ihre Hände schwebten unter dem Rücken und dem Kopf des Babys, das Pat für die Dauer eines Fotos halten durfte. Pat grinste, das Baby hatte den Kopf von ihm weggedreht und heimlich ein hässliches
Gesicht gemacht, was aber keiner mitbekam, bis sie die fertig entwickelten Bilder von der Drogerie abholten. Sie hatten gleich zwei komplette Sets bestellt.
    Malki hatte einmal eine Freundin gehabt, die wie ein Affe aussah. Riesenkiefer. Sie ließ ihn sitzen, und er heulte eine Woche lang.
    Eine Wagentür, blau, neu, aufgerissen auf einer

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