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In die Nacht hinein: Roman (German Edition)

In die Nacht hinein: Roman (German Edition)

Titel: In die Nacht hinein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cunningham
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habe Beau Baxter zwei Tage später gefickt.«
    »Du machst Witze.«
    »Er kam bei einer Party zu mir, um sich zu entschuldigen, angeblich peinlich berührt, aber genau genommen war er so verdammt zufrieden mit sich.«
    »Und du …«
    »Ich habe ihm gesagt, er soll mir folgen.«
    »Wohin hast du ihn gebracht?«
    »In den Garten. Es war so ein großes Haus, in dem viele Partys stattfanden, und da war ein Garten.«
    »Und …«
    »Ich habe ihm gesagt, er soll mich ficken. Gleich dort, im nassen Gras.«
    »Niemals.«
    »Ich hatte es satt. Ich hatte das Arschloch von meinem Freund satt, ich hatte meine liederliche Schwester satt, die denkt, sie müsste jeden Wettbewerb gewinnen, und ich hatte es satt, die unschuldige kleine Schwester zu sein, die hysterisch wird, wenn sie Leute im Gartenzimmer vögeln sieht. An diesem Abend dachte ich immer noch, ich hätte meinen Freund für immer verlassen, außerdem hatte ich fast einen halben Liter Wodka getrunken, und ich wollte mich einfach auf den Schwanz von diesem großen, dämlichen Jungen setzen, der meine Schwester erniedrigt hatte. Ich konnte ihn nicht leiden, aber in diesem Moment wollte ich ihn unbedingt ficken, mehr als alles andere, was ich je in meinem Leben wollte.«
    »Wow.«
    »Das gefällt dir, was?«
    »Äh, wie ging’s weiter?«
    »Er hatte Angst. Genau wie ich vermutet hatte. Er sagte nur: Ähm, Rebecca, ich weiß nicht … Also habe ich ihm mit beiden Händen einen leichten Schubs versetzt und ihm befohlen, sich hinzulegen.«
    »Hat er’s gemacht?«
    »Worauf du wetten kannst. Er hatte noch nie ein Mädchen erlebt, das sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.«
    »Weiter.«
    »Ich habe seine Hose runtergezogen und sein Hemd hochgeschoben. Meinetwegen musste er nicht nackt sein. Ich habe mich auf seinen Schwanz gesetzt und ihm genau gezeigt, was er mit der Fingerspitze an meiner Klitoris machen soll. Bis zu diesem Moment war nicht ganz klar, ob er wusste, was eine Klitoris ist.«
    »Du erfindest das.«
    »Du hast recht.«
    » Nein .«
    »Vielleicht doch.«
    »Wirklich und wahrhaftig?«
    »Macht es dir was aus?«
    »Selbstverständlich.«
    »Es ist eine sexy Geschichte, egal, ob sie wahr ist oder nicht, stimmt’s?«
    »Ich glaube schon. Ja.«
    »Männer sind ja so pervers.«
    »Du hast recht. Das sind wir.«
    »Jedenfalls ist das Geschichtenerzählen für heute Nacht vorbei. Komm her, Charlie.«
    »Was hat es mit diesem Charlie auf sich?«
    »Ich weiß es wirklich und wahrhaftig nicht. Komm einfach her.«
    »Wohin?«
    »Hierher. Genau hierher.«
    »Hierher?«
    »M-hm.«
     
    Sechs Monate später heiratete er sie.
    Zwanzig Jahre später sitzt er am Esszimmertisch Missy gegenüber, der frisch aus der Dusche kommt und Cargo-Shorts trägt. Er hat kein Hemd angezogen. Seine Ähnlichkeit mit der Bronzestatue lässt sich nicht leugnen – die schlanke, wie selbstverständliche Muskulosität der Jugend, die übertriebene Nonchalance des Ganzen, dieses Gefühl, dass Schönheit tatsächlich der natürliche menschliche Zustand ist und nicht die rarste Mutation. Missy hat dunkelrosa Nippel (in den Taylors muss eine Spur mediterranes Blut sein), etwa so groß wie ein Vierteldollar. Zwischen den abgezirkelten quadratischen Brustmuskeln sitzt ein Medaillon aus zobelfarbenem Haar.
    Will er verführerisch sein, oder ist das nur seine normale körperliche Achtlosigkeit? Es gibt für ihn keinen Grund zu der Annahme, Peter könnte interessiert sein, und selbst wenn, würde er beim Ehemann seiner Schwester nicht auf sexy machen. Oder doch? (Wann war es, dass Rebecca gesagt hat: »Ich glaube, Missy ist zu so gut wie allem fähig«?) Natürlich haben manche junge Männer einen gewissen Drang, jeden verführen zu wollen.
    Peter sagt: »Wie war Japan?«
    »Wunderschön. Nicht überzeugend.« Missy hat den weichen Virginia-Singsang behalten, den Rebecca vor Jahren abgelegt hat.
    Außerhalb der Dusche sieht Missy weniger wie Rebecca aus. Er hat seine eigene Version des Taylorschen Gesichts: falkenartig scharfe Züge, eine vorspringende Nase und große, aufmerksame Augen (die bei Missy ganz leicht schielen, so dass sein Gesicht stets verdutzt und fragend wirkt), das leicht altägyptische Aussehen, das sie alle haben, das aber weder bei Cyrus noch bei Beverly zu erkennen ist; ein Hinweis auf einen sich ständig wiederholenden Knoten in ihrer gemeinsamen DNA. Der Taylorsche Nachwuchs, drei Mädchen und ein Junge, Variationen über ein Thema, Profile, die einen auf jahrtausendealten Tonscherben

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