In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
doch Peter weiß, dass sie auch eine Kampagne einläutet, um Missy die normalen Annehmlichkeiten schmackhaft zu machen. Er weiß auch, dass sie ein schlechtes Gewissen hat wegen eines größtenteils eingebildeten Versäumnisses, das sich über die letzten zwei Tage erstreckt, weil sie in Gedanken beim Verkauf des Magazins war.
Sie spielen alle drei das, was Peter nur als großartige Imitation des Üblichen bezeichnen kann. Beim Essen reden sie über dasVerkaufen von Dingen (Kunst, Magazine). Missy bietet (ein neues Talent) eine Stegreifimitation von Carole Potter dar – er kriegt ihre pneumatischen kleinen Nickbewegungen hin, die eifrigen, nahezu gierigen Blicke, selbst den unterschwelligen Klang der Mmms , die sie macht, wenn sie zuhört oder offenbar zuhört. Für Peter ist dies eine kleine Offenbarung – Missy ist nicht ständig so von seinem Missysein in Beschlag genommen, wie man meinen könnte. Es scheint (romantischer Trugschluss?) für Missys Fähigkeit zu sprechen, die Wahrheit zu sagen – wenn er sagt, ach, zum Beispiel, dass er Peter sein ganzes Leben lang geliebt hat, meint er es möglicherweise. Eitler Peter, du bist immer der Verehrer gewesen, wie seltsam und wunderbar wäre es, wenn einmal in deinem Leben du der Verehrte wärst. Dann stellt Rebecca Mutmaßungen darüber an, was für eine Große Kunstsache sich in Billings, Montana, begründen ließe, wozu Missy und Peter, plötzlich eine Jungenbande, nur spöttische Vorschläge beisteuern: in einem Footballstadion Dichter an Bären verfüttern, Eisskulpturen in Auftrag geben – es sind keine besonders guten Scherze, aber darauf kommt es nicht an, es geht um Jungs wider Mädchen, was Rebecca locker wegsteckt, weil sie sicher weiß, dass sie es Peter später, im Bett, wieder heimzahlen kann.
Sie sehen sich 8½ an, der so gut ist wie immer, putzen dabei eine dritte Flasche Wein weg. Sie sind während des Films eine Familie wie aus der Fernsehwerbung, drei Leute auf einem Sofa, die gebannt zusehen, während der glänzende Bildschirm sie aus ihrem Leben holt und in einem neuen absetzt. Marcello Mastroianni haut mit Claudia Cardinale, die sich an seinen Rücken klammert, auf einem Motorrad ab, Marcello Mastroianni führt eine Polonaise mit jedem, den er jemals gekannt hat, um ein kaputtes Raumschiff.
Als der Film vorüber ist, geht Rebecca in die Küche, um das Dessert zu holen. Peter und Missy sitzen nebeneinander auf dem Sofa. Missy legt Peter kameradschaftlich den Arm um die Schulter.
»Hey«, sagt er.
»Ich liebe diesen Film«, sagt Peter.
»Liebst du mich?«
»Scht.«
»Dann nick einfach.«
Peter zögert, nickt.
Missy flüstert: »Du bist schön, Alter.«
Du bist schön, Alter ? Was für ein Wort ist Alter für einen Jungen wie Missy?
Antwort: Es ist ein junges Wort, ein Jung männer wort, und einen Moment lang kann Peter sehen, wie sie zusammen sein würden – sich neckend, verständnisvoll, widerspenstig auf eine (zumeist) gut gelaunte Art, ein intellektuelles und rauflustiges Paar aus einem romantischen und unglaublichen alten Griechenland. Missy ist leichtsinnig, schämt sich nicht, auf dem Sofa seiner Schwester seine Liebe zu erklären. Könnten sie zusammen glücklich sein? Es steht nicht außer Frage.
Peter sagt leise. »Ich bin kein Alter.«
»Okay, du bist nur schön.«
Peter ist, zu seiner Beschämung, froh, dass man ihm sagt, er sei schön.
Und dann taucht Rebecca mit dem Dessert auf. Kaffee und Schokoladengelato.
Sie vertilgen das Gelato, reden noch ein bisschen und gehen dann zu Bett. Peter und Rebecca jedenfalls. Missy sagt, er wolle noch ein bisschen aufbleiben und den Zauberberg lesen, und so trottet er nach einem lauen, nicht sehnsüchtigen Gute Nacht mit seinem schweren Schmöker davon, dem alten Thomas Mann persönlich, dem Schutzpatron der unmöglichen Liebe.
Sobald sie im Bett sind, liegen Peter und Rebecca züchtig auf dem Rücken nebeneinander. Sie sprechen leise.
Rebecca sagt: »Meinst du, er hatte heute eine schöne Zeit?«
Du hast ja keine Ahnung.
»Schwer zu sagen«, antwortet Peter.
»Es ist lieb von dir.«
»Was?«
»Dass du dich so mit ihm abgibst.«
O Gott, bedanke dich nicht bei mir.
»Er ist ein guter Junge.«
»Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht so sicher, ob er ein guter Junge ist. Er hat ein gutes Herz. Und, du weißt ja. Ich habe ihn am Hals.«
Yeah. Erzähl mir was.
Das ist jetzt vermutlich der Zeitpunkt – das ist jetzt höchstwahrscheinlich die letzte Gelegenheit -, um ihr zu
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