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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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dort!« rief der Major, als seine Tochter die
    Thür zum Korridor öffnete.
    »Ihr habt noch gar nicht bemerkt, daß ihr vom
    Vorzimmer gleich in unsere Wohnung eintreten
    könnt. Unser liebenswürdiger Wirt hat mir ohne
    weiteres erlaubt, die Verbindungswand durchbre-
    chen zu lassen.«
    Im Vorzimmer zu Doras Boudoir, das man dem-
    gemäß zu passieren hatten, wurde indes die kleine
    Gesellschaft durch eine Überraschung aufgehalten,
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    in deren Erwartung Herr v. Grubeck sich schon
    längst vergnügt die Hände gerieben hatte.
    »Für uns Kinder!« rief der alte Herr aus, wäh-
    rend er die Seinen vor einen zur Decke rankenden
    Tannenbaum führte, dessen strahlender Lichter-
    glanz nach der schwachen Beleuchtung der Räume,
    aus denen sie gekommen, besonders Dora und
    Wellkamp überraschte und blendete. Anna kannte
    die besondere Weihnachtspassion ihres Vaters, der
    jedes Jahr mit ihr zusammen selbst seinen Baum zu
    schmücken liebte. Diesmal hatte er es also ganz
    ohne Hilfe unternommen und wirklich durch die
    geschmackvolle Verteilung von Silberflitter und
    großen weißen Papierlilien mit goldenen Blüten-
    stengeln eine reizende Arbeit ausgeführt. Er be-
    trachtete nun, während er die Glückwünsche dafür
    empfing, sein Werk mit glänzenden, ganz veränder-
    ten Augen. Es war zu merken, wie sehr für ihn
    Weihnacht ein Ereignis war, das jedesmal wieder
    alle seine alltäglichen Stimmungen für kurze Tage
    auseinander zu treiben und mit ein bißchen Kinder-
    glück aufzuklären vermochte. Wie wenig mehr als
    die gebräuchliche, fast gleichgiltige Anerkennung er
    sonst der Religion entgegenbringen mochte, so fand
    er doch stets in dieser einzigen Zeit die wehmütig-
    glückliche Anhänglichkeit an die alten geheiligten
    Gebräuche, welche das Erbteil der inmitten von
    Traditionen und Familiensinn Aufgewachsenen
    bleibt. Auch dauerte es eine Weile, bis er die Verän-
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    derungen der Anordnung, die er hie und da am
    Baum noch vornahm, beendet hatte, um endlich
    seine Aufmerksamkeit auf das zur Seite stehende
    Tischchen zu lenken. Anna hatte Sorge getragen,
    hier das für den Vater in Berlin Ausgewählte im
    voraus ausbreiten zu lassen. Herr v. Grubeck war
    entzückt über die verständnisvolle Gabe seiner Kin-
    der, die ihm einige der Kunstblätter widmeten, die
    unlängst auf der Ausstellung seinen besondern Bei-
    fall gefunden und ihm jetzt aufs neue Ausdrücke in-
    nerster Befriedigung entlockten.
    Es hatte jeder bei Auswahl der kleinen Ge-
    schenke, die er dem andern unter den Baum legte,
    weniger auf die Kostbarkeit oder Originalität des
    Gegenstandes als auf den Wert einer besonderen
    persönlichen Aufmerksamkeit gesehen, mit der Fa-
    milienmitglieder untereinander ihren Geschmack, in
    den sie sich gegenseitig genügend eingeweiht haben,
    treffen können. Dabei waren dann doch wieder zum
    Teil die unerwartetsten Dinge herausgekommen. So
    war Wellkamp überrascht, für sich ein neues Werk
    eines seiner Lieblingsautoren zu finden, für das er
    Frau v. Grubeck zu danken hatte.
    Dora kam ihm entgegen, als er auf sie zuging.
    »Ist es recht?« fragte sie mit dem ruhigen Lächeln,
    das er seit heute an ihr kannte.
    »Sie haben es in Ihrer Güte mit Ernst Renan ganz
    überraschend gut getroffen. Ich habe den ›Priester
    von Nemi‹ wirklich noch nicht gelesen, habe ja auch
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    in jüngster Zeit kaum ein Buch und besonders keine
    neuen Erscheinungen in die Hand genommen.«
    Sie wollte schon mit leichtem Nicken an ihm vor-
    bei und zu ihrem Gatten hinübertreten, dessen neue
    Kunstschätze sie noch nicht näher besichtigt. Als sie
    jedoch den Kopf erhob, streifte sie ein Blick Annas,
    den diese, neben ihrem Vater stehend, über die Bil-
    der hinweg auf sie gerichtet hielt, und der sie unwill-
    kürlich ihren Schritt anhalten ließ. Vielleicht
    täuschte sie sich, aber sie hatte eine tief feindliche
    Regung in diesem kurzen Blick bemerkt, und es war
    gerade infolge dieser Bemerkung, daß sie das Ge-
    spräch mit dem jungen Manne wieder aufnahm.
    »Ich fürchte, ich habe es viel zu gut getroffen«,
    sagte sie, »Sie wissen doch, wie gefährlich ich den
    Einfluß Ihres verehrten Meisters Renan finde. Er hat
    mit seinem ›Dilettantismus‹, mit seinem Allesgel-
    tenlassen und seiner geistigen Seiltänzerei schon ge-
    nug Unheil unter unserer heutigen Generation ange-
    richtet.«
    Sie hatte ihr Lächeln nicht verloren während die-
    ser Worte, aus denen ein leiser Tadel klang, wie von
    einer Mutter, die den

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