In einer Familie
–
In der tiefen Dämmerung des übrigen Raumes,
die sie noch mehr in ihre wohlthuende Betäubung
einlullte, vermochten die Vorstellungen ihres ermü-
deten Geistes kaum an etwas anderes anzuknüpfen
als an die Flamme, die sie vor ihren Augen abwech-
selnd heller leuchten, rauchen, zusammenfallen,
wieder aufflackern sah. Und auch dies würde sie
ohne Anregung gelassen haben, wenn es nicht That-
sache wäre, daß wir jede vor uns sich abspielende Er-
scheinung, zumeist unbewußt, mit bestimmten Vor-
stellungen und Ideen begleiten, die in dem Vorrate
unserer früheren, ähnlichen Eindrücke und Erfah-
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rungen bereit lagen und ihrer Anwendung warteten.
Jene, uns häufig genug irgendwie von außen einge-
gebenen Ideenfragmente sind es ihrerseits erst, die
die eigentlichen, uns als solche bewußten Empfin-
dungen in uns hervorrufen. Mögen diese uns später
den Vorgang als ein starkes Seelenerlebniß erschei-
nen lassen, wie wenig naiver und ursprünglicher Art
sind sie dennoch nur zu häufig gewesen! Sie lassen
den uns lieben Anspruch, unser eigenstes Leben zu
leben, unberechtigt genug erscheinen.
Wie oft mochte dieser Frau der Vergleich des sich
aufbäumenden, spielenden, kämpfenden und erster-
benden Feuers mit den analogen Vorgängen im
menschlichen Leben begegnet sein, ehe ihr innerer
unbewußter Sinn ihn hier auf die Leidenschaften an-
wenden konnte, die sie selbst durchlebte. Wie oft
hatte sie ihn in sich aufgenommen als Gesprächs-
phrase, als Scherz, vielleicht als Dichtung. In ihrer
Träumerei fanden sich Bruchstücke von Versen zu-
sammen, die ihr in ihrer New-Yorker Zeit ein junger
Mann, der eine Weile in ihrem engeren Kreise gelebt,
in einer Gesellschaft, auf ein Zettelchen geschrieben
zugesteckt hatte. Der junge Dichter spielte darin mit
einer Stimmung, die so, wie er sie ausdrückte, nie-
mals zwischen ihnen bestanden. Da sie jedoch nicht
ungeschickt wiedergegeben war, hatte Dora sich, ih-
rerseits mit dem Dichter spielend, gern in sie hinein-
geträumt. Sie hatte das Gedicht damals häufig genug
gelesen, um es auch jetzt noch, ohne sich des Wort-
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lauts bewußt zu werden, gleichsam mit der Seele zu
überschauen.
»Du aber streutest die welken Zweige
Gedankenlos lässig in den Kamin …
Der warme Winter ging zur Neige,
Ein kühler Frühling ließ weiter mich ziehn.
Wir saßen einander genüber am Feuer,
Wie oftmals, in unsere Sessel geschmiegt;
Nur daß es zuletzt war, es wärmt uns kein neuer
Glutwirbel nach dem, der dort verfliegt.
Ich dachte, indes wir Beide verstummten,
Wie hoffnungslos so in Asche sank,
Was die Flammen – wie oft! – ins Ohr uns summten
Das Glück ein ganzes Leben lang.
Ich dachte, es wäre wieder zu bringen
Nicht mehr von dem Leben, das hier entschwand,
Als von dem der welken, zu frühen Syringen,
Die zerknickt Deine schmale, blasse Hand.
Du aber streutest die welken Zweige
Gedankenlos lässig in den Kamin –
Und es war, wie wenn aus der Asche steige,
Was für uns Beide gestorben schien.
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Wir sahen uns an und wußten, die Flammen,
Die Sträuße, die ihre sinkende Nacht
Noch einmal erhellten, sie hatten zusammen
Uns Beiden den nämlichen Wunsch entfacht.
Sie hießen uns, unsere Abschiedswehen
Vereint zu letztem Glück zu weihn;
Es sollte das Auseinandergehen
Eine letzte Liebeserfüllung sein.«
So vage und unausgesprochen dies Alles blieb, so
verdichtete sich doch die dadurch genährte, schein-
bar gegenstandslose Stimmung so weit, bis am Ende
eine ganz bestimmte Tendenz sich in der seelischen
Verfassung der jungen Frau klargestellt hatte. Sicher
würden wir erschrecken, wenn unser Bewußtsein
nach Beendigung eines solchen inneren Vorganges
noch die unsicheren, wenig bedeutenden Elemente
festzustellen vermöchte, die häufig den Grund bil-
den, aus welchem unsere wichtigsten, verhängnis-
vollen Schlüsse hervorwachsen. Wahrscheinlich
würden wir uns nur noch inniger an den Glauben
klammern, daß es eine Schicksalsmacht ist, die mit
zufälligen oder doch für uns nicht zu unterscheiden-
den Mitteln uns hier wie überall zu dem von ihr vor-
herbestimmten Ziele leitet.
Thatsächlich war der Entschluß, der Dora, als sie
endlich aus ihren Träumereien aufgestört wurde, als
Ergebnis derselben vor Augen stand, und den sie
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noch am selben Tage zur Ausführung brachte, ähn-
lich bedeutend dem, in welchen jenes Gedicht aus-
klang.
Da der Beginn der Oper in die tägliche
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