In einer Person
werden, obwohl ich mich an seine Idee einer Schwulen-Oper erinnere –
und an unsere vielen Abende in der Wiener Staatsoper, als ich noch so jung war.
Für mich als jungen angehenden Schriftsteller war das ausgesprochen
lehrreich: einen großen Mann und illustren Dichter scheitern zu sehen. Man muss
vorsichtig sein, wenn man sich in ein Fach eingearbeitet hat und es dann
wechseln will. Ganz zu Beginn meiner Beziehung mit Larry musste ich noch
lernen, dass das Schreiben von Romanen ebenfalls ein eigenes Fach ist. Und
selbst wenn die Oper nur eine weitere Erzählform ist, wenn auch eine
extravagante, so hat sich ein Librettist doch auch an gewisse Regeln zu halten.
Gutes Schreiben hat nichts mit »Entspanntheit« zu tun.
Man muss Larry hoch anrechnen, dass er als Erster einsah, dass er
als Librettist keine Zukunft hatte. Auch das war für mich äußerst lehrreich.
»Wenn du deinen eigenen Maßstäben nicht gerecht wirst, Bill, schieb die Schuld
nicht auf das Genre. Die Oper kann nichts dafür. Ich bin nicht das Opfer dieser
Panne, Bill – sondern der Täter.«
Von seinen Liebhabern kann man vieles lernen, aber seine Freunde
behält man – meistens – länger, und von ihnen lernt man mehr. (Jedenfalls ist
es mir so ergangen.) Ich würde sogar behaupten, dass die Mutter meiner Freundin
Elaine, Martha Hadley, mich stärker beeinflusst hat als Lawrence Upton.
Tatsächlich hatte ich an der Favorite River Academy, wo ich im
Winter 1960 mein drittes und vorletztes Jahr absolvierte, naiv, wie ich war,
noch nie die Wörter aktiv und passiv in der Bedeutung gehört, in der Larry (oder meine [204] sämtlichen anderen
schwulen Freunde und Liebhaber) sie später verwenden sollten, aber ich wusste,
dass ich ein aktiver Partner war, noch bevor ich mit irgendwem geschlafen
hatte.
An jenem Tag, an dem ich vor Martha Hadley mein Teilgeständnis
ablegte, als ihre offensichtliche Dominanz einen so nachhaltigen, wenn auch
verwirrenden Eindruck bei mir hinterließ, wurde mir klar, dass ich mich danach
sehnte, andere Jungen und Männer zu ficken, aber nie danach, gefickt zu werden;
ich wollte nie, dass der Penis eines anderen Jungen oder Mannes in mich
eindrang. (In meinen Mund, ja – in meinen After, nein.)
Selbst als ich Kittredge begehrte – so viel wusste ich über mich
selbst: Ich wollte ihn ficken und seinen Penis in den Mund nehmen, aber ich
wollte nicht, dass er mich fickte. Da ich Kittredge kannte, wusste ich auch,
wie vollkommen verrückt das war, denn sollte Kittredge je auch nur die
Möglichkeit einer schwulen Beziehung in Betracht ziehen, stand für mich quälend
fest, was er sein würde. Falls Kittredge schwul war, sah er für mich
zweifelsfrei nach einem aktiven Partner aus.
Es ist symptomatisch, dass ich zu meinem Auslandsstudienjahr in
Wien gesprungen bin und den Bericht ausgerechnet damit begonnen habe, von Larry
zu erzählen. Dabei könnte man meinen, ich hätte das Wien-Intermezzo damit
beginnen sollen, von meiner ersten richtigen Freundin zu erzählen, Esmeralda
Soler, weil ich Esmeralda kurz nach meiner Ankunft in Wien (im September 1963)
kennenlernte und schon einige Monate mit ihr zusammengewohnt [205] hatte, bevor
Larry sein Schreibseminar gab und ich sein Student – und wenig später sein
Geliebter – wurde.
Aber ich glaube zu wissen, warum ich damit gewartet habe, von
Esmeralda zu erzählen. Schwule Männer meiner Generation reden so gerne davon,
wie viel einfacher es für Jugendliche heutzutage sei, ihr »Coming-out« zu
haben. Ich kann Ihnen jedoch versichern: Für einen Jugendlichen ist es nie
einfach.
Ich jedenfalls schämte mich, dass ich mich sexuell zu anderen Jungen
und Männern hingezogen fühlte, und kämpfte dagegen an. Vielleicht denken Sie,
ich hätte in dem verzweifelten Versuch, »normal« zu sein, überbewertet, wie
sehr ich mich zu Miss Frost und Mrs. Hadley hingezogen fühlte; vielleicht
denken Sie jetzt, Frauen hätten mich gar nie richtig angezogen. Aber das stimmt
nicht – ich finde Frauen tatsächlich sehr anziehend. Nur musste ich – zumal an
der Favorite River Academy, einem reinen Knabeninternat – meine Gefühle für
andere Jungen und Männer unterdrücken.
Nach jenem Sommer in Europa mit Tom und nach meinem Abschluss an der
Favorite River, als ich allein auf dem College in New York war, konnte ich mich
endlich zu meinen homosexuellen Anteilen bekennen. (Keine Angst, über Tom werde
ich schon noch mehr erzählen, es fällt mir halt nur so schwer.) Nach Tom hatte
ich
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