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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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einer Woche hatte ein verrückter Autofahrer genau an dieser Kreuzung den Hund eines Nachbarn überfahren, den Scotchterrier Buddy, einen Freund von Ganja. Er könnte natürlich ein paar Blocks weitergehen, zu der kleinen Brache, die einmal ein Sportplatz gewesen und nun ein Hundeauslauf war, damit Ganja sich ein bisschen austoben konnte, aber Solowjow fielen die Augen zu. Er versuchte, mit Ganja zu handeln.
    »Morgen kommt Ljuba. Sie geht mit dir auf den Platz, da kannst du laufen, so viel du willst. Aber jetzt gehen wir nach Hause, Junge, sei mir nicht böse.«
    Solowjow schwindelte. Ljuba würde bestimmt nicht kommen. Ihre Beziehung steckte in einer Sackgasse, nein, sie war vermutlich beendet. Ljuba erwartete von ihm einen Heiratsantrag, und er machte ihr keinen. Sie war beleidigt, und er unternahm nichts, um sie zu versöhnen. Er fühlte sich schuldig, weil er ihr Hoffnungen gemacht hatte, und machte ihr nun keine mehr.
    Ganja setzte sich hin und bellte jaulend: Nein! Er legte eine Pfote auf die Leine. Als wüsste er, dass sein Herr log.
    »Doch!«, sagte Dima. »Wir gehen nach Hause. Ich bin müde. Ich muss um sieben aufstehen.«
    »Nein!«, widersprach der Hund.
    Solowjow kapitulierte.
    Die Hundewiese war leer. Er band Ganja los, setzte sich auf einen Baumstamm und wollte sich eine Zigarette anzünden, überlegte es sich aber anders. Er hatte heute mindestens eine ganze Schachtel geraucht. Er musste aufhören. Wenn ich Moloch gefasst habe, rauche ich nach der ersten Vernehmung meine letzte Zigarette.
    Solowjow döste fast ein.
    Ganja jagte über die Wiese, beschnüffelte eifrig den harten Boden, hob die Pfote und wühlte das Vorjahresgras auf. Das war seine Abendzeitung; so erfuhr er die wichtigsten Ereignisse des Tages: Wer heute vorbeigekommen war, Bekannteund Fremde, Streuner und Sesshafte. Wer gerade läufig war und was er, Ganja, ein Hund in den besten Jahren, in dieser Hinsicht für Chancen hatte. Mehrmals lief er zu Solowjow, stupste ihn mit der Schnauze an, lächelte und wedelte mit dem Schwanz. »Siehst du, ich hatte recht, wie immer. Es gefällt dir auch hier draußen.«
    Solowjow streichelte seinen Lockenkopf. Es war still, und die alte Jacke war schön warm. Wahrscheinlich hätte er noch eine Stunde hier gesessen, wäre nicht ohrenbetäubend laute Musik aus einem vorbeifahrenden Auto an sein Ohr gedrungen:
     
    Die Lippen rot geschminkt, die Augen kindlich rein.
    Warum willst du schon erwachsen sein?
     
    Die Stimme von Valeri Katschalow schallte durch die ganze Straße, Solowjow fürchtete, zu ertauben. Ein Opel metallic raste vorbei und verschwand um die Ecke, der Schlager aber hallte im Nachtwind noch immer nach. Solowjow stand auf, rieb sich mit den Fäusten die Augen und schaute sich um. Ganja war weg. Er rief nach ihm, doch die einzige Antwort war das entfernte Echo der Musik und das Heulen des Windes. Nein, noch etwas. Ein trockenes Rascheln.
    In einer entfernten Ecke der Wiese entdeckte er Ganja, der sich langsam rückwärts bewegte, das Hinterteil hochgereckt, die verdrehten Vorderpfoten fest auf den Boden gestemmt. Der Schlawiner hörte genau, dass er gerufen wurde, und wedelte nachlässig mit dem Schwanz, drehte sich aber nicht einmal um. Er war beschäftigt. Er zog etwas Großes, laut Raschelndes unterm Zaun hervor.
    »Ganja!«, rief Solowjow noch einmal und pfiff dreimal kurz, ein Signal, auf das der Hund sofort zu reagieren hatte. Aber er zerrte weiter an seinem Fund. Als er es geschafft hatte, prallte er heftig rückwärts und wäre beinahe hingefallen, wedelte freudig mit dem Schwanz und wollte zu seinem Herrn laufen und ihm seine Beute zeigen. Doch die Beute sträubte sich plötzlich, wehte im Wind und öffnete sich wie ein Fallschirm.
    Es war ein großes Stück Plastikfolie. Der nächste Windstoß hüllte Ganja in die Folie wie einen Koffer auf dem Flughafen. Der Hund war vollständig eingewickelt, kämpfte verzweifelt und verhedderte sich immer mehr. Solowjow rannte zu ihm, versuchte ihn auszuwickeln, sah, dass Schnauze und Nase in der Folie steckten, und wollte sie mit den Fingernägeln aufreißen, doch sie war zu dick, zudem nass und glitschig.
    Ganja schnappte nach Luft. Solowjow fand in den Jackentaschen nur seinen Wohnungsschlüssel, und damit befreite er den Hund schließlich, indem er ein Loch in die Folie bohrte. Nun konnte der Dummkopf wieder atmen. Anschließend wickelte Solowjow ihn vollständig aus.
    Schweigend liefen sie nach Hause. Ganja mit eingezogenem Schwanz,

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