In feinen Kreisen
Gardiner Ihnen einen zufrieden stellenden Bericht über ihre Flucht aus Bayswater gegeben und einen Grund für dieses merkwürdige Verhalten genannt?«
»Nein, Sir.«
»Hat sie Ihnen gesagt, wer Treadwell getötet hat? Sie haben sie doch gewiss danach gefragt?«
»Das habe ich, und nein, sie hat mir keine Antwort gegeben, nur dass sie es nicht getan habe.«
»Und haben Sie ihr geglaubt?«
Rathbone erhob sich halb von seinem Platz. Der Richter sah zu ihm hinüber.
Tobias lächelte. »Vielleicht ließe sich diese Frage besser formulieren. Sergeant Robb, haben Sie in der Folge Mrs. Gardiner wegen des Mordes an James Treadwell festgenommen?«
»Ja, das habe ich.«
Tobias zog die Augenbrauen hoch. »Aber Sie haben keine Anklage gegen sie erhoben!«
Robbs Gesicht war angespannt. »Sie ist der Verschwörung angeklagt…«
»Dass eine so schreckliche Tragödie Sie traurig stimmt, gereicht Ihnen zur Ehre, Sergeant«, bemerkte Tobias, der ihn nicht aus den Augen ließ. »Aber Sie scheinen mir sehr zögerlich, als erfüllten Sie Ihre Pflicht nur widerwillig. Woran kann das liegen, Sergeant Robb?«
Rathbones Gedanken überschlugen sich. Sollte er Einspruch erheben? Er hatte beabsichtigt, Robbs hohe Meinung von Cleo und sein Wissen um ihre Motive dafür zu benutzen, mildernde Umstände geltend zu machen. Jetzt war ihm Tobias zuvorgekommen, und er konnte jetzt kaum Einspruch erheben und das gleiche Thema später selbst zur Sprache bringen.
Er konnte nichts tun, als still dazusitzen und zu versuchen, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen.
»Sergeant?«, hakte Tobias nach.
Robb reckte das Kinn ein wenig vor und erwiderte den Blick des anderen mit unterdrücktem Zorn. »Ich bin in der Tat zögerlich, Sir. Mrs. Anderson ist in unserer Gemeinde bekannt dafür, dass sie die Kranken besucht und ihnen hilft, vor allem jenen, die alt und arm sind. Ob bei Tag oder Nacht, sie war immer für sie da, und das neben ihrer Arbeit im Krankenhaus. Sie hätte ihre Patienten nicht besser versorgen können als ihre eigene Familie.«
»Aber Sie haben sie wegen Mordes verhaftet!«
Robb biss die Zähne zusammen. »Ich musste es tun. Wir haben Beweise dafür gefunden, dass Treadwell sie erpresst hat …«
Diesmal stand Rathbone doch auf. »Euer Ehren…«
»Ja, ja«, stimmte der Richter ihm ärgerlich zu. »Mr. Tobias, das müssten Sie doch eigentlich selbst wissen. Wenn Sie Beweise haben, präsentieren Sie sie dem Gericht auf geziemende Art und Weise.«
Tobias verbeugte sich und lächelte. Er hatte keinen Grund zur Sorge. Er drehte sich wieder zu Robb im Zeugenstand um.
»Beruht Ihre hohe Meinung von Mrs. Anderson einzig und allein auf Hörensagen, oder können Sie sich aus eigener Erfahrung für ihren guten Leumund verbürgen?«
»Ich weiß es aus persönlicher Erfahrung«, sagte Robb. »Sie ist regelmäßig zu meinem Großvater gekommen, der bei mir lebt.«
Tobias nickte bedächtig. Er schien seine Worte genau abzuwägen. Rathbone blickte zu den Geschworenen hinüber. Unter ihnen befand sich ein Mann in mittleren Jahren und mit ernstem Gesicht, der Tobias voller Verständnis beobachtete. Er drehte sich zu Robb um, und seine Züge verrieten unverhohlenes Mitleid.
Tobias fragte nicht, ob Cleo Medikamente mitgebracht habe oder nicht. Es war nicht notwendig, die Geschworenen hatten es auch so begriffen. Es würde ihnen nicht gefallen, wenn er den Sergeant in Verlegenheit brachte. Tobias war ein erstklassiger Menschenkenner.
Es gab nichts, was Rathbone hätte tun können.
Der Tag schritt voran, während Robb auf die Fragen von Tobias widerstrebend Antwort gab. Er erzählte, wie er von den verschwundenen Medikamenten erfahren hatte – teilweise, indem er Monk gefolgt war –, wie er Cleos eigene Armut entdeckt und so herausgefunden hatte, dass sie von Treadwell erpresst worden war. Dieser Umstand gab ihr ein Mordmotiv, das man nur zu gut verstehen konnte. Die Geschworenen saßen kopfschüttelnd und mit ernster Miene da, und in ihren Gesichtern lag ebenso viel Mitleid wie Tadel.
Das würde sich ändern, sobald Miriam ins Spiel kam, das wusste Rathbone. Aber auch hier konnte er nur tatenlos zusehen. Tobias hielt sich an die Regeln und er hatte sich seine Strategie perfekt zurechtgelegt.
Der zweite Tag war nicht viel besser. Robb beendete seine Aussage, und Rathbone erhielt die Gelegenheit, ihn zu verhören, aber es gab keine Fragen, die er ihm hätte stellen wollen. Wenn er aber schwieg, würde es so aussehen, als habe er den
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