In feinen Kreisen
weckte in ihm den Wunsch, jemanden zu schlagen, zu verletzen, damit dies alles ungeschehen gemacht werden, damit es nie wieder geschehen konnte.
»Er hat viel mehr als das ausgegeben«, sagte er leise und mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich muss wissen, woher das Geld kam.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung. Er ist regelmäßig zu mir gekommen, und ich hab ihn bezahlt. Er hat nie eine andere Person erwähnt. Aber das wäre wohl auch nicht zu erwarten gewesen…«
Es lag Monk auf der Zunge, sie noch einmal zu fragen, ob sie Treadwell Morphium zum Verkauf gegeben habe, aber er wusste, die Antwort würde dieselbe sein wie zuvor. Er erhob sich und verabschiedete sich. So sehr es ihn selbst schmerzte, er konnte ihr keine Versprechungen machen, er konnte ihr nicht einmal ein Wort der Hoffnung sagen.
An der Tür blieb er noch einmal stehen und überlegte, ob er sie nach Miriam fragen sollte, aber was gab es da zu sagen?
Sie blickte erwartungsvoll zu ihm auf.
Am Ende konnte er nicht anders, er musste fragen. »Könnte es Miriam gewesen sein?«
»Nein«, sagte sie sofort. »Sie hat niemals etwas getan, wofür er sie hätte zahlen lassen können!«
»Nicht einmal, um Sie zu schützen?«, fragte er leise.
Sie saß vollkommen reglos da. Man konnte an ihrer Miene ablesen, dass sie die Antwort auf diese Frage nicht wusste – sie mochte eine Meinung haben, aber sie wusste es nicht.
Monk nickte. »Ich habe verstanden.« Er klopfte an die Tür, damit der Wärter ihn hinaus ließ.
Als er nach Hause kam, war er immer noch damit beschäftigt, das Problem im Kopf hin und her zu wälzen.
»Es hat noch eine andere Geldquelle gegeben«, sagte er beim Abendessen zu Hester. »Aber es könnte Miriam gewesen sein , was uns kein bisschen weiterhelfen würde.«
»Und wenn nicht?«, fragte Hester. »Wenn wir beweisen könnten, dass es jemand anderes war? Dann müssten die Geschworenen das berücksichtigen!«
»Nein, genau das würden sie nicht tun«, antwortete er ruhig, während er beobachtete, wie sich auf ihrem Gesicht Enttäuschung abzeichnete. »Es sei denn, wir könnten den Betreffenden vor Gericht bringen und einwandfrei beweisen, dass er sich an jenem Abend in der Nähe der Heide befand, und zwar allein. Wir haben zwei Tage Zeit, bevor Rathbone seine Verteidigung vortragen muss.«
»Was haben wir sonst noch in der Hand?« Ihre Stimme wurde ein wenig lauter, so verzweifelt war sie.
»Nichts«, gab er zu.
»Dann lass es uns wenigstens versuchen! Ich kann es nicht ertragen, hier zu sitzen und die Hände in den Schoss zu legen! Was wissen wir bis jetzt?«
Sie arbeiteten bis lange nach Mitternacht und listeten alles auf, was Monk über Treadwells Lebenswandel in den letzten drei Monaten vor seinem Tod in Erfahrung gebracht hatte. Wenn alle Informationen auf Papier festgehalten waren, konnte man leichter feststellen, ob es irgendwo Lücken gab.
»Wir müssen herausfinden, zu welchen Zeiten er frei hatte«, sagte Hester, während sie sich weitere Notizen machte.
»Irgendjemand im Haus der Stourbridges müsste dir darüber Auskunft geben können.«
Monk dachte, dass es wahrscheinlich Zeitverschwendung war, aber er stimmte ihr zu. Er hatte ohnehin nichts Besseres zu tun.
»Weißt du, in welchen Mengen die Medikamente gestohlen wurden?«, fragte er und fügte, bevor sie es abstreiten konnte, hinzu: »Oder könntest du dahinter kommen, wenn du es wolltest?«
»Nein, aber ich nehme an, Phillips könnte es, falls es weiterhelfen würde. Meinst du, es wäre wirklich wichtig?«
»Wahrscheinlich nicht, aber was haben wir denn sonst in der Hand?«
»Ich gehe gleich morgen ins Krankenhaus und frage Phillips«, erklärte Hester energisch, als könne sie damit etwas ändern.
»Und ich werde auch alle Personen auf deiner Liste aufsuchen und sie fragen, welche Medikamente sie nehmen. Du versuchst herauszufinden, was Treadwell mit seiner freien Zeit angefangen hat.« Sie forderte ihn förmlich heraus, ihr zu sagen, dass es nutzlos sei, dass sie die Hoffnung aufgeben solle. Die Heftigkeit, mit der sie sprach, die verhaltene Wut in ihrer Stimme, sagten ihm, dass sie ihrem Plan blind folgen würde – wider alle Vernunft.
Am Morgen machte Monk sich schon früh auf den Weg nach Bayswater, um zu erkunden, zu welchen Zeiten Treadwell dienstfrei gehabt hatte und festzustellen, ob es Hinweise darauf gab, wo sich der Kutscher vielleicht sonst noch aufgehalten haben konnte und wer ihm so hohe Geldsummen gezahlt haben mochte.
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