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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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irgendeine Art von Flüssigkeit, sondern ein feines schwarzes Pulver …
    Er schauderte jetzt bei der Erinnerung. Ja, dachte er, sei an Bord, Ulysse, damit du derjenige sein kannst, der deine verdammte Zauberei wirkt, und ich alles für mein großes Festessen heute Abend vorbereiten kann. Und du solltest besser recht behalten mit deiner Versicherung, dass all dein magisches Zubehör aus dem Garten verschwunden sein wird, bevor es drei Uhr ist und die Diener eintreffen, um alles vorzubereiten.
    Er spähte wieder durch das Teleskop. Der Himmel war heller, und das Schiff war näher, und er konnte sehen, dass es in der Tat die Ascending Orpheus war … sie wirkte ein wenig mitgenommen, lief aber mit guter Fahrt.
    So weit so gut, dachte er mit vorsichtiger Befriedigung. In einer halben Stunde kann ich nach Spanish Town zurückfahren … im Club zu Mittag essen und einige Drinks nehmen, mich von dem Haus fernhalten, bis Ulysse sein grausiges Geschäft vollbracht hat … und dann lasse ich mir die Perücke locken und vergewissere mich, dass all meine Kleider makellos in Ordnung sind. Vielleicht mache ich ein kleines Schläfchen. Es ist von größter Wichtigkeit, dass ich all diese unerfreulichen Dinge aus dem Kopf bekomme, damit ich auf diesen Edmund Morcilla einen guten Eindruck machen kann.
    Selbst in seiner Halbeinsamkeit hatte Hicks von Morcilla gehört – dem großen, kahlen, glattgesichtigen reichen Mann, der Ende November die Hafenbucht von Kingston angelaufen hatte und in dem Ruf stand, viel Geld in alle karibischen Wirtschaftszweige zu investieren, von Zuckermühlen und Plantagen bis zu Sklaven. Und Morcilla hatte in der letzten Woche tatsächlich an Joshua Hicks geschrieben und eine Partnerschaft in einem Geschäft mit Ländereien vorgeschlagen. Er hatte ihm sofort und begeistert mit einem Brief geantwortet, denn er sah in Morcilla eine Möglichkeit, von Ulysse Segundo loszukommen; und als Morcilla mit einem langen, freundlichen Brief geantwortet hatte, in dem er seinen Wunsch erwähnte, eine lebhafte, vorzugsweise braunhaarige junge Dame zu ehelichen, war Chandagnac so erpicht darauf gewesen, sich bei ihm einzuschmeicheln, dass er in seinem nächsten Brief tatsächlich die junge Dame » mit einem Anflug von Gehirnfieber« beschrieben hatte, die in seinem Haus wohnte. Im selben Brief hatte er Morcilla zu seinem Weihnachtsessen eingeladen, und Chandagnac war so erfreut über Morcillas Antwort gewesen, er nehme die Einladung gern an, dass er sich nicht die geringste Sorge um Morcillas Postscriptum gestattete, in dem der wohlhabende Mann ein starkes Interesse daran bekundet hatte, die junge Dame persönlich kennenzulernen.
    Ein Strahl roten Sonnenlichts im Winkel seines linken Auges riss ihn aus seinem Tagtraum, und als er diesmal das Teleskop hob, hielt er es oben, denn das Schiff glitt an seinem Ausguck auf der Klippe vorbei und zeigte ihm sein Profil von der Backbordseite. Der Sturm schien es wirklich sehr mitgenommen zu haben – mehrere Rahen waren gebrochen, und Teile der Takelage und Besegelung waren einfach losgeschnitten und abgebunden, und eines der unteren Focksegel hatte sich losgerissen und in das stehende Gut verstrickt, sodass es wie eine Art Zelt aussah –, aber er konnte die Männer auf Deck deutlich erkennen. Er ließ eifrig den Blick über sie gleiten, das lange Teleskop auf einen Ast des Balatabaumes gestützt, und binnen weniger Augenblicke war er überzeugt, Segundo ausgemacht zu haben.
    Der Mann stand am Fockmast und hatte der Küste den Rücken zugekehrt, aber Chandagnac erkannte die Gestalt, die Kleider und das weiße Haar – und dann drehte Segundo sich zu den Klippen um, und Chandagnac lachte vor Erleichterung, denn es war unmöglich, dieses zerklüftete Gesicht und diesen eindringlichen Blick zu verkennen. Während Chandagnac zusah, beugte Segundo das linke Knie und hob den Fuß auf eine Taurolle, und obwohl er die rechte Hand in der Manteltasche hielt, winkte er kräftig mit der linken und nickte die ganze Zeit über dazu.
    Chandagnac winkte mit dem Teleskop in der hoch erhobenen Hand, obwohl es kaum wahrscheinlich war, dass Segundo es sehen würde, und es war ihm nicht einmal ein Stirnrunzeln wert, als das Rohr seinen vor Kälte steifen Fingern entglitt und auf dem Felsen unter ihm zerbrach. Fröhlich pfeifend wandte er sich von der See ab und schritt auf die wartende Kutsche zu.
    Und Shandy, der von den Segeln verborgen hoch oben auf einer Spiere stand und am Fockmast festgebunden

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