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In Furcht erwachen

In Furcht erwachen

Titel: In Furcht erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Cook
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weitere Zigarette an und blies
    den Rauch aus dem Fenster, der sich in der dahinbrausenden Luft sofort in nichts auflöste. Die Hitze machte ihn krank, seit seiner Zeit im Krankenhaus war er sie nicht mehr gewohnt. Wie sich gezeigt hatte, war der Aufenthalt gar nicht so unangenehm gewesen; er lag in der kühlen
    Luft der Klimaanlage auf sauberen Leintüchern, mit klaren, sterilen Kopfschmerzen, die jeden subjektiven Gedanken
    auslöschten. Eigendich war es sogar ziemlich angenehm
    gewesen, eine Zeit, auf die er als Phase der Ungestörtheit zurückblicken konnte, abgesehen von jenem einen Tag. Er
    war vielleicht seit zwei Wochen dort gewesen ...
    ... Sie ließen ihn nicht aus dem Bett, sein Zimmer war immer verschlossen. Vermutlich weil sie dachten, er
    könnte wieder einen Selbstmordversuch unternehmen.
    Aber es spielte keine Rolle, er war ganz zufrieden damit, einfach nur im Bett zu liegen.

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    Eine elektrische Glocke mit Klingelknopf in der Wand
    direkt über seinem Kopf erlaubte ihm, eine Krankenschwe‐
    ster zu rufen, wann immer er es für nötig hielt.
    Einmal klingeln bedeutete, daß er eine Urinflasche
    brauchte, zweimal hieß Bettpfanne, dreimal war ein allgemeiner Ruf, auf den sie reagierten, wann immer sie Zeit dafür hatten, viermal klingeln war ein Notruf.
    Was die ersten beiden Klingelgründe betraf, litt Grant
    anfangs sehr, aber irgendwann hatte er den Kampf gegen
    seine Bedürfnisse aufgegeben und fand sich damit ab.
    An jenem Tag hatte er nach langem Hin und Her, ob es wirklich nötig war, zweimal geklingelt.
    Die Krankenschwestern waren schnell, und es dauerte
    nur ein paar Minuten, bis er hörte, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte. Eine Schwester kam herein und trug die verhaßte Pfanne, dezent in ein weißes Tuch gehüllt.
    Grant kämpfte sich in eine sitzende Stellung hoch, auf
    dem Gesicht jene sorgfaltig inszenierte Leere, die er bei diesen Gelegenheiten zur Schau stellte.
    Dann blickte er der Krankenschwester ins Gesicht.
    Es war Janette Hynes.
    Für eine Sekunde schrie seine Seele über diese unglaub‐
    liche letzte Demütigung regelrecht auf, aber dann begriff er, daß das nur das war, was er glaubte, fühlen zu müssen.
    In Wahrheit spielte es keine Rolle, es passierte ja schließlich nur John Grant.
    Trotzdem hätte er viel lieber innere Verletzungen erdul‐
    det, als diese bestimmte Pfanne zu gebrauchen.
    Janette sagte: «Hallo, ich hab gehört, daß du hier bist.»
    «Ja», sagte Grant, «ich bin hier.»
    Sie stand am Bett und hielt immer noch die Pfanne.
    184
    Wahrscheinlich ist sie genauso verlegen wie ich, dachte
    Grant, nur zeigt sie es nicht.
    Es schien nicht viel zu sagen zu geben, aber schließlich mußte jemand das Wort ergreifen.
    «Tut mir leid», sagte Grant, «ich wollte eigentlich dreimal klingeln und um etwas Wasser bitten, wann immer jemand Zeit dafür hat.»
    Janette musterte den Wasserkrug an seinem Bett. Auch
    Grant sah ihn an. Er war fast voll.
    Janette legte die Pfanne aufs Bett.
    «Ist schon in Ordnung», sagte sie, «ich bin hier nur
    Krankenschwester.» Damit ging sie hinaus.
    Schließlich benutzte Grant die Bettpfanne, es blieb ihm
    gar nichts anderes übrig. Und Janette kam zurück und
    nahm sie mit ...
    ... Aus dem Innern eines fahrenden Zuges ist die Trau‐
    rigkeit der nächtlichen Prärie aus irgendeinem Grund noch deutlicher zu spüren, dachte Grant. Vielleicht lag es an den
    Leuten, die sangen; der melancholische Grundton, der sich selbst durch ihre ausgelassensten Lieder zog, war Teil von ihnen und stammte möglicherweise von der Traurigkeit
    der Prärie selbst. Alle Erinnerungen an Bundanyabba und
    die Menschen, die er dort getroffen hatte, waren von diesem kläglichen, unterdrückten Elend gefärbt.
    Sie waren allesamt traurig gewesen: der Polizist Craw‐
    ford, die Leute beim Wettspiel, Tim Hynes und seine Toch‐
    ter, Tydon und die Minenarbeiter, die Leute, die ihn mitgenommen hatten.
    Sogar die Sozialarbeiterin im Krankenhaus hatte einen
    Eindruck von Traurigkeit hinterlassen, er wußte nicht,
    warum ...

    185
    ... Sie hatten ihm seine Koffer zurückgegeben und ihn
    dann in das Büro der Sozialarbeiterin gebracht, wo ihm eine
    Rechnung über vierundzwanzig Pfund präsentiert wurde.
    «Ich kann das womöglich eine ganze Weile lang nicht
    bezahlen», sagte Grant.
    «Das ist mir herzlich egal», sagte die Sozialarbeiterin
    liebenswürdig, «wann immer Sie dazu in der Lage sind.»
    «Danke», sagte Grant, «ich zahle es in etwa zwei

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