wusste nicht, wie er das Jolie sagen sollte. Oder
Alex und Cassie.
Seine
Schuhe hallten auf dem blanken Parkett wider, als er schließlich ins Wohnzimmer
zurückkehrte.
Wie
ich mich jetzt fühle?, fragte er sich. Keine Ahnung.
Seine
Nerven lagen blank, das Adrenalin prickelte in seinen Adern, und er war wie
betäubt. Er konnte nichts mehr spüren. Vielleicht wollte er es auch nicht, weil
der Schmerz einfach unerträglich war.
Alles
hatte er verloren, wirklich alles.
Sein
Leben, oder das, was davon noch übrig war, stand dort drüben vor dem Fenster
mit Blick über die Bay in Transportkisten verpackt.
Zwanzig
Kartons Vergangenheit, gestopft voll mit Erinnerungen und Gefühlen. Wohin
damit?
Und
ich?, fragte er sich. Wohin mit mir?
Er
wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln.
Sein
Notebook stand aufgeklappt auf den Kartons. Mit dem Rechner auf dem Schoß setze
er sich mit überkreuzten Beinen auf den Boden und öffnete seinen Mail Account.
Von: Nick
[email protected] An: Cassie
[email protected] 24.09.2012 / 19:43
Betreff:
Ich liebe Dich
Cassie,
ich sitze allein in
einem leeren Haus und ringe nach Worten. Die Tränen laufen mir über die Wangen,
und ich hoffe ...
Ja,
was?
Was
blieb ihm noch, worauf er hoffen konnte?
Er
löschte den Text.
Das
Bedürfnis, mit ihr zu reden, blieb. Aber er wusste nicht, was er ihr schreiben
sollte. In ihm waren Gefühle, verwirrend viele, aber keine Worte.
Nicks
Finger fühlten sich taub an, als er den Mail Account schloss und die Website
help-jolie.com öffnete. Okay, da oben war der Link: Retten Sie Leben und
spenden Sie.
Er
klickte ihn auf. Ein Formular erschien.
Ich spende
ž einmalig ™ monatlich ™ vierteljährlich
einen Betrag von
ž 5 $ ™ 15 $ ™ 25 $ ™ 50 $ ™ 75 $ ™ 100 $
™ anderer
Betrag
und bezahle per
ž Überweisung ™ Kreditkarte ™ Paypal
Wollen Sie anonym spenden?
Auch anonyme Spenden sind möglich. Dazu müssen Sie sich
aus
help-jolie.com ausloggen oder sich nicht einloggen,
bevor Sie spenden.
Jetzt
spenden
Im
Internet Explorer öffnete Nick ein weiteres Fenster mit seinem Bankkonto. Er
loggte sich ein und überprüfte den Kontostand.
Er
war siebenstellig.
Alle
Raten für das Haus waren bereits eingegangen.
Er
atmete tief durch.
Dann
kehrte er zum Spendenformular auf help-jolie.com zurück. Er loggte sich nicht
ein. Er setzte die Markierung bei einer einmaligen Spende, dann trug er den
Betrag ein und betrachtete einen Augenblick die Trauerprozession der Nullen.
Seine Finger zitterten, als er den Mauszeiger auf den Jetzt-spenden-Button
schob und die linke Maustaste drückte.
Eine
Weile saß er mit geschlossenen Augen mit dem Notebook auf den Knien und spürte
dem Gefühl nach, das jetzt in ihm aufkeimte. Er konnte es nicht benennen. Was
war das, was er jetzt empfand, dieses leise Glühen im Herzen?
Zufriedenheit?
Nein, das war zu schwach. Das Empfinden war viel stärker. Erfüllung?
Nick
wusste nicht, was es war, aber er genoss es mit beinahe wohligem Behagen. Denn
es war das erste tröstliche Gefühl seit Wochen.
Und
jetzt?
Was
sollte er tun? Wieder die Projektleitung bei der Bergung des Schiffes der
Armada of Golden Dreams übernehmen? Wieder tauchen, forschen, Berichte schreiben,
Interviews geben, Vorträge halten? Im Augenblick erschien ihm nichts dringend
oder bedeutsam genug, um sich damit zu beschäftigen. Aber weiter warten? Worauf
denn noch?
Alles,
was ihm wichtig war, war ihm fortgerissen worden. Katie. Jolie. Cassie. Woran sollte er sich festhalten? Sein Leben war
ihm entglitten, und seine Hoffnungen waren zerstört.
Gedankenversunken
öffnete Nick die Website der UNESCO und klickte sich durch die weltweiten
Projekte des Underwater Cultural Heritage. Es gab einige, die ihn
interessierten.
Die Titanic vor der Küste Neufundlands zum Beispiel. Die UNESCO schützte das
zerfallende Wrack vor einer Plünderung und Vermüllung durch Touristen, die die
abenteuerliche Reise zum Meeresgrund für ein kleines Vermögen buchen konnten. Die
archäologische Stätte war mittlerweile übersät mit Plastikblumen und
Gedenktafeln, aber auch mit Bierdosen und Papptellern. Und dieser Müll würde
für