In Gottes Namen
Mitra.«
Sie führte ihn zu Angie Mornakowskis kalter weißer Leiche und spreizte die vierte und die kleine Zehe ihres linken Fußes. Riley entdeckte einen winzigen unblutigen Einschnitt in der kleinen Hautfalte.
»Sie haben ihn alle«, sagte sie. »Die vier, die hier liegen, und Cassie.«
»Wow«, seufzte Riley. »Und kein Wort darüber in den Autopsieberichten.«
Sie schüttelte den Kopf. »Außer in dem von Cassie. Und ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass er bei ihr entdeckt wurde. So was entgeht einem leicht. Wenn man es mit schweren Verletzungen an Kopf und Körper zu tun hat, ist es nicht weiter verwunderlich, dass man einen merkwürdigen kleinen Schnitt zwischen den äußeren Zehen nicht bemerkt. Das ist nicht wie bei einem Drogen- oder Vergiftungsfall. Man sucht nicht nach winzigen Verletzungen wie diesen.«
»Ich weiß schon. Ich wollte auch niemanden kritisieren.« Er atmete tief durch. »Der Schnitt erfolgte also post mortem. Als eine Art Nachtrag.«
»Eine Signatur«, ergänzte sie.
Riley stimmte ihrer Vermutung zu. »Er hinterlässt seine Duftmarke.«
»Betrachten Sie es doch mal von der positiven Seite«, erwiderte die Ärztin. »Wenn Sie noch Zweifel daran gehabt hätten, dass alle von der gleichen Person ermordet wurden, dann wären sie jetzt ausgeräumt.«
Riley lächelte sie an. »Ich hatte aber keine Zweifel.«
»Okay«, sagte sie. »Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Die anderen Leichen exhumieren lassen? Die Autopsieberichte widerrufen?«
Er wusste nicht, was das an den Ermittlungen ändern sollte. Burgos hatte die Morde gestanden, während der Vernehmung durch Lightner und seinen Psychiatern gegenüber. Es diente auch nicht zu seiner Entlastung – in dem Falle hätte es Riley dem Verteidiger von Terry Burgos nicht vorenthalten dürfen. Wenn überhaupt, dann schadete es Burgos eher noch. Denn damit war eindeutig bewiesen, dass alle Frauen von der gleichen Person getötet worden waren.
Vielmehr konnte die Sache nach hinten losgehen. Die Verteidigung konnte die Angelegenheit aufbauschen, die obduzierenden Ärzte als inkompetent brandmarken und einen unwillkommenen Nebenschauplatz eröffnen. Jeremy Larrabee wäre nur zu dankbar für alles, was die Aufmerksamkeit von seinem Mandanten ablenkte.
Hinzu kam, dass Riley die Danzingers um die Exhumierung ihrer Tochter würde bitten müssen, nur wenige Monate nach ihrer Beerdigung. Und warum? Nur, um etwas zu beweisen, das sie bereits wussten?
Cassie Bentleys Obduktionsbericht war nicht öffentlich zugänglich. Er war nicht mehr Teil des Falls und ging daher niemanden etwas an.
»Vergessen wir das Ganze«, sagte Riley zu der wartenden Ärztin. »Aber danke, dass Sie meine Neugier befriedigt haben.«
»Oh.« Mitra Agarwal stieß ihm den Ellbogen in die Seite. »Wie aufregend. Ein Geheimnis. Sie und ich sind die einzigen lebenden Menschen, die von den Einschnitten wissen.«
»Sie, ich und Terry Burgos.« Riley dankte ihr und marschierte zurück in sein Büro.
Dienstag
23. Juni 2005
38. Kapitel
Leonid Koslenko bewohnt einen kleinen Bungalow im Nordwesten der Stadt, das vierte Haus in der Straße, von Süden her gesehen. Detective McDermott, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite positioniert ist, wirft einen letzten Blick durch sein Fernglas auf das Haus. Dann späht er auf die Uhr. Es ist genau 2 Uhr 30, Dienstagmorgen.
McDermott schnappt sich das Funkgerät. »Code Gelb. An alle Gruppenführer, ich wiederhole, Gelb.«
Aus nördlicher und südlicher Richtung beginnen Beamte der Spezialeinheit RAID zu dem zweistöckigen Haus vorzurücken, tief geduckt im Schatten der Nachbarhäuser, unsichtbar von Koslenkos Haus aus. Zwei Teams zu je acht Männern umstellen langsam den Bungalow, in dunkelblaue, feuerfeste Uniformen gekleidet, ausgerüstet mit Kevlar-Helmen, kugelsicheren Westen, Nachtsichtgeräten und hochmodernen automatischen Gewehren.
Die Hälfte jedes Teams schleicht sich zur Rückseite des Hauses. Die Übrigen pirschen sich geduckt bis auf wenige Schritte an die Vorderseite heran, immer unterhalb der Fensterlinie.
McDermott hört das leise Knacken der in die Westen eingebauten Mikros und dann ihre Stimmen.
»Team A in Position.«
»Team B in Position.«
McDermott atmet tief durch, dann gibt er über Funk bekannt: »Code Grün. Ich wiederhole, Grün.«
Die Teams vereinen sich wieder vor der Eingangstür, wo sie einen Rammbock einsetzen, um ins Haus einzudringen. Einsatzwagen jagen von beiden Richtungen heran,
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