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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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heute
vor dem Circuit Court of Appeals ist Terry Burgos der zwölfte
Straftäter, der seit der Wiedereinführung der Todesstrafe in diesem
Staat hingerichtet werden wird.
    - Daily Watch, 19. Oktober 1996

8. Kapitel
    Strafanstalt Marymount, eine halbe Stunde vor Mitternacht. Das Zuchthaus steht isoliert inmitten der Landschaft. Ein fünf Hektar großes Gelände, umgeben von acht Meter hohen Stahlzäunen, oben bepackt mit Rollen von rasiermesserscharfem Stacheldraht. Vollzugsbeamte observieren die Strafanstalt rund um die Uhr von einer Zufahrtsstraße aus. Die gepflegten Rasenflächen sind mit gewichtsempfindlichen Bewegungssensoren gespickt und werden von Wachtürmen aus mit Scheinwerfern abgeschwenkt; es befindet sich je ein Turm auf jeder Seite des achteckigen Zellentrakts im Zentrum der Anlage. Letztes Jahr hat jemand einen Fluchtversuch gewagt, schaffte es aber nicht mal bis zum Zaun, bevor ihm ein Scharfschütze aus hundert Meter Entfernung das Knie zerschoss.
    Einen Kilometer vor dem eigentlichen Anstaltsgebäude bremse ich vor dem mittelalterlich wirkenden Tor. Eine gewaltige Stahltür, in die mit gotischen Lettern der Name des Gefängnisses eingeätzt ist. Ich lasse das Fenster herunter und lasse die stickige, feuchte Luft herein, höre in der Ferne die Rufe der Demonstranten.
    »In Ordnung, Mr. Riley.« Der Wachposten händigt mir die beiden Ausweise für Trakt J aus. Einen, um ihn an den Rückspiegel zu hängen, den anderen hefte ich mir ans Hemd. »Fahren Sie langsam«, fügt er hinzu, und zeigt auf die lange gepflasterte Straße vor mir. »Einer hat sich mal vor ein Auto geworfen.«
    Ich befolge seinen Hinweis und folge gemächlich der schmalen Straße, die durch die vielen am Rand parkenden Medienfahrzeuge noch enger geworden ist. Weiter vorne, bei der gewaltigen Einfahrt des Gebäudes, liegen zwei Camps, durch die Straße und zwei Dutzend Bezirkssheriffs in Kampfmontur voneinander getrennt. Das östliche Areal bietet Raum für die Todesstrafengegner, etwa einhundert Menschen, die sich bei Kerzenlicht zu Kreisen formiert haben. Man sieht betende Priester unter ihnen, während andere im Kreis marschieren und Schilder über den Köpfen tragen wie Streikposten. Ein junger Mann mit Pferdeschwanz auf einem provisorischen Podium aus Holzkisten brüllt in ein Megaphon. »Warum töten wir Menschen, um zu zeigen, dass es Unrecht ist, Menschen zu töten?«, verkündet er unter dem begeisterten Applaus seiner Anhänger.
    Ihnen gegenüber tummelt sich eine andere Gruppe: Die Befürworter der Todesstrafe – besonders im Fall von Terry Burgos. Auf einem zwischen zwei Stangen aufgespannten Transparent sind die Namen der sechs Opfer von Burgos’ Blutorgie zu lesen. Die Befürwortergruppe ist wesentlich kleiner, was daran liegt, dass sie in der öffentlichen Diskussion ohnehin die Nase vorn haben – in der gesamten Nation und besonders hier. Wir exekutieren gerne Menschen in diesem Staat.
    Ein Beamter wirft einen Blick auf den Ausweis hinter der Windschutzscheibe, dann lässt er mich das Fenster ganz herunterfahren und erneut meine Papiere vorzeigen. Jetzt ist der Demonstrationslärm ohrenbetäubend, ein Duell zwischen Megaphonen und Sprechchören. Der Wachmann sucht meinen Namen auf seiner Liste. »Okay, Mr. Riley«, sagt er. »Fahren Sie durch dieses Tor, dort wird man Sie dann weiterleiten.« Der Posten macht jemand ein Zeichen, und langsam gleiten die Torflügel auseinander.
    Eine Hand hämmert gegen die Wagentür. Ein paar Reporter versuchen, in meinen Wagen zu spähen und einen Blick auf einen der geladenen Zeugen zu erhaschen. Ich lasse den Cadillac sanft anrollen, während die Reporter neben mir herlaufen und mir Fragen zurufen. Ich verstehe nur Bruchstücke. Einer von ihnen fragt mich, was ich hier will, was mir zunächst albern erscheint, denn schließlich war ich der Staatsanwalt, der die Jury dazu bewogen hat, die Todesstrafe zu verhängen. Aber als ich mir die Frage noch einmal gründlicher durch den Kopf gehen lasse, weiß ich selbst keine rechte Antwort darauf.
    Ich fahre durch die Toröffnung, und die Reporter bleiben zurück. Ein paar Gebäude weiter winkt man mich auf den Besucherparkplatz. Ich laufe durch die drückende Hitze auf eine von Wachposten flankierte Tür zu. Ein untersetzter Vollzugsbeamter hält sie für mich auf, und ich betrete den frostig klimatisierten Empfangsbereich. Eine Gruppe Uniformierter hängt in der Lobby herum, raucht und unterhält sich. Einer von ihnen erkennt mich und

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