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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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dem neuesten Supermodel im Arm. Der Mann ist ein wandelndes Klischee. Er ist fast schon bemitleidenswert.
    Fast.
    Im Erdgeschoss gerät das Personal bei seinem Anblick in Verzückung. Ich dagegen ernte lediglich gelangweilte Blicke, sobald sie mitkriegen, dass ich weder Filmstar noch Künstler bin, sondern nur irgendein Anwalt. Ich kann mich erinnern, in der vierten Klasse mal ein Haus gemalt zu haben. Ich hielt das Bild für ziemlich gelungen. Aber Schwester Virginia warf nur einen kurzen Blick darauf und meinte dann, ich sollte besser Anwalt werden.
    Eine Hostess nimmt mir meinen Aktenkoffer ab, aber gleich drauf fällt mir siedendheiß ein, dass sich darin meine Notizen zu den Fällen befinden. Ich verfüge nämlich über eine Akte mit den Resümees sämtlicher Rechtsangelegenheiten, in denen meine Firma BentleyCo und ihre Tochterfirmen vertritt. Bei Harland sollte man nie unvorbereitet erscheinen. Wenn er sich einen Überblick verschaffen will, dann hat das nichts mit einem sokratischen Diskurs an der Uni zu tun, bei dem man in seinem Hirn mühsam nach Antworten kramt, während einen der Professor mit abstrakten Fragen bombardiert. Dieser Mann leitet die Geschicke dutzender Firmen weltweit und hält sich trotzdem auf dem Laufenden über jedes noch so kleine Detail seiner offenen Rechtsfälle.
    Wir werden an einen für uns reservierten Tisch gelotst. Eine Stufe führt zu ihm hinauf, wodurch wir einen angemessenen Überblick über die anderen Speisenden haben. Ein Kellner kommt mit zwei Papierrollen an unseren Tisch geeilt, die in diesem Etablissement offensichtlich als Speisekarten dienen. Allerdings weiß ich bereits, dass Harland nie von der Karte bestellt.
    Das Wort, das Harland am treffendsten beschreibt, ist entschlossen. Bei ihm gibt es keine faulen Kompromisse. Sein Händedruck gleicht einem Schraubstock. Er trägt sein Haar fast militärisch kurz. Seine Augen sind klein, durchdringend und beweglich, als wären sie beständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Seine Kiefermuskeln befinden sich in einer Art Dauerspannung. Er kleidet sich in gestärkte Hemden und in die elegantesten Anzüge, die ich kenne, und dabei trage ich selbst gerne edlen Zwirn. Der Mann war nie in der Armee, trotzdem ist sein Tagesablauf straff durchorganisiert. Er steht um fünf Uhr in der Früh auf, schwimmt tausend Meter in seinem Pool – im Sommer unter freiem Himmel -, isst dann ein gesundes Frühstück und schafft es, rechtzeitig um Viertel vor sieben im Büro zu sein. Bekäme ich einen Vierteldollar für jede Nachricht, die Harland vor meinem Eintreffen im Büro auf meiner Mailbox hinterlassen hat, wäre ich reich.
    Ich meine: noch reicher.
    »Schön, dass Sie kommen konnten, Paul.«
    »Ist mir stets ein Vergnügen, Harland.«
    »Henry«, sagt er zu dem Kellner, der erneut augenblicklich aus dem Nichts auftaucht. »Perrier mit Zitrone für mich. Paul?«
    Keine Ahnung, warum Harland den Namen eines Kellners in einem Lokal kennt, das gerade mal ein paar Wochen geöffnet hat. Vermutlich hat ihn diese Detailbesessenheit zum Milliardär gemacht. Das, oder die zwanzig Millionen Startkapital, die er bei seiner Scheidung einsackte.
    Ich habe Lust auf das Übliche. Harland mustert mich kurz, als missbillige er meine Bestellung. Er selbst trinkt nicht und raucht nicht. Sein einziges Laster ist, wie ich – und viele andere – schon am eigenen Leib erfahren haben, seine ungehobelte Ausdrucksweise. Dieser Mann pflegt die kultivierten Umgangformen der Superreichen, aber wenn ihm jemand quer kommt, kann er fluchen wie ein Taxifahrer.
    Also vermeide ich es tunlichst, ihm quer zu kommen. Trotzdem bestelle ich mir einen Martini, schön schmutzig, mit anständig Wodka und schwarzen, käsegefüllten Oliven.
    Ach ja, ein zweites Laster habe ich vergessen: die Frauen. Jedes Mal, wenn er in den Klatschspalten bei einem gesellschaftlichen Ereignis auftaucht, ist es eine andere. Blond, brünett, rothaarig, kurvenreich, zierlich, langbeinig – der Mann lässt sich auf keine spezifischen Vorlieben festlegen, vorausgesetzt, man betrachtet Jugend und umwerfendes Aussehen nicht als solche.
    Eine Frau mit kunstvoll frisiertem Haar und Perlen um den Hals, die gerade frisch vom Laufsteg heruntergestiegen scheint, begrüßt Harland. Küsschen hier, Küsschen da, kurzes Nicken in meine Richtung.
    Harland lehnt sich einen Moment zurück und sonnt sich in seinem Glanz. Der Mann ist ein Rockstar. Immer noch die Spur eines selbstzufriedenen Lächelns auf

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