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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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sich vermutlich im Schlafzimmer abgespielt, dem einzigen weiteren Raum in der kleinen Wohnung. Ich fühle, wie das Adrenalin durch meine Adern pumpt. Früher war das mal mein Job. Verbrecher jagen. Rätsel lösen.
    Während ich mich dem Durchgang zum Schlafzimmer nähere, verlangsamen sich meine Bewegungen. Ein Abwehrmechanismus. Ich blicke nach unten, und ein dumpfer Laut dringt aus meiner Kehle. Natürlich wusste ich, dass es sich bei der Toten um Evelyn Pendry handelt. Doch das mildert kaum den Schock, jemanden, der mich gestern noch mit Fragen gelöchert hat, in diesem Zustand zu vorzufinden.
    Sie liegt auf dem Teppich, nackt bis auf die Unterwäsche, alle viere von sich gestreckt, den Kopf nach rechts gedreht. In ihrer linken Schläfe klafft ein hässlicher blutiger Spalt, offensichtlich eine tiefe Stichwunde. Ihr Mund steht offen. Die Haut zeigt bereits erste Anflüge von Leichenblässe. Es wirkt, als hätte sie gerade etwas sagen wollen, und irgendetwas hätte sie dabei unterbrochen, etwas sehr Wichtiges.
    Die Beleuchtung im Raum wirkt brutal unter diesen Umständen, sie badet die Ermordete in schonungslosem Scheinwerferlicht. Am liebsten würde ich eine Decke über sie breiten und ihr die Lider zudrücken. Ich betrachte ihre leeren Augen, warte unwillkürlich darauf, dass sie blinzeln.
    Ich trete bis auf ein paar Schritte an sie heran und beuge mich über sie. Der faulige Geruch, der von der jungen Frau aufsteigt, rührt vom Urin und den Fäkalien her; ihr sympathisches Nervensystem ist kollabiert, während sie sich gegen den Mörder gewehrt hat. Oder gegen den Schmerz kämpfte.
    Von der Wunde am Schädel einmal abgesehen, ist Evelyn Pendrys Körper von unzähligen Schnitten übersät. Einige sind nur oberflächlich, andere gehen tiefer. Aus sämtlichen Wunden ist Blut ausgetreten, also wurden sie ihr zugefügt, bevor ihr Herz zu schlagen aufhörte.
    Man hat sie gefoltert, bevor man sie mit einem einzigen Stich ins Gehirn getötet hat.
    Als ich einen Blick über die Schulter in Richtung der beiden Detectives werfe, bemerke ich, dass Carolyn nicht mit uns im Raum ist. Das beruhigt mich, obwohl sie ihre Tochter bereits vorher gesehen haben muss.
    »Er hat sich vorher mit ihr vergnügt«, sage ich und werfe einen zweiten, gründlicheren Blick auf sie. Nirgendwo in der Umgebung sind Blutspuren zu entdecken. »Er hat sie hier überwältigt und sich dann über sie hergemacht.«
    Ich schaue erneut zu den Detectives auf, die beide nicht sonderlich beeindruckt scheinen. Ich weiß nicht, was sie von mir erwarten. Nach wie vor habe ich keine Ahnung, warum ich eigentlich hier bin.
    »Wie ist er reingekommen?«, frage ich.
    Niemand hält es für nötig, mir zu antworten. Okay, sie mögen mich nicht, doch das ist mir im Moment völlig gleichgültig.
    »Wie ist er hier reingekommen?«, wiederhole ich. McDermott zuckt mit den Achseln. »Keine Einbruchsspuren. Entweder hat er das Schloss geknackt, oder sie hat ihn reingelassen.«
    »Hat er sich sexuell an ihr vergangen?« Ich vermeide den Blickkontakt mit Carolyn, die sich jetzt wieder zu uns gesellt hat.
    McDermott schüttelt den Kopf. »Er wollte ihr nur wehtun.«
    Ich erhebe mich und mustere die beiden Detectives. »Sie gehen aber wohl nicht ernsthaft davon aus, dass sie ihn reingelassen hat«, sage ich.
    »Das Bad«, erwidert er. »Achten Sie auf Ihre Schritte.«
    Ich drehe mich um und betrete vorsichtig das Bad. Jemand hat bereits das Licht eingeschaltet. Zunächst halte ich meine Augen auf den Boden gerichtet. Dann bemerke ich es aus den Augenwinkeln. Ich blicke zum Spiegel auf, erkenne mein eigenes Spiegelbild, und dann, mit rotem Lippenstift auf das Glas geschrieben, die Worte:
     
    Ich bin nicht der Einzige.
     
    Ich taumele einen Schritt zurück und verliere fast das Gleichgewicht. Ich fahre zu den Cops herum, die offensichtlich ihre Schlussfolgerungen aus meiner Reaktion ziehen.
    »Sagt Ihnen das was?«, fragt Stoletti.
    Ich kann nichts dagegen tun – ich muss zulassen, dass es mich innerlich in Stücke reißt, mich bei den Innereien packt und sie zu unzähligen Knoten verdreht.
    »Sind Sie okay?«, fragt mich McDermott.
    Ich stolpere an ihnen vorbei und gehe vorsichtig neben Evelyn in die Hocke, um die Wunde in ihrer Schläfe zu betrachten. Sie war so jung. Obwohl schon sehr reif für ihr Alter, hatte sie noch so viel vor sich. Klug und ehrgeizig. Ich muss an die Worte denken, mit denen ich sie das letzte Mal, als wir miteinander sprachen, abgespeist habe. Es

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