In Gottes Namen
bleibt immer ein unangenehmer Nachgeschmack, wenn man jemanden so schlecht behandelt, wie ich es getan habe. Doch inzwischen gibt es mehr als nur einen Grund, warum ich es bereue, ihr nicht zugehört zu haben.
»Ein Schnappmesser, richtig?« Ich schaue die beiden an. »Damit wurde sie getötet?«
»Richtig«, bestätigt McDermott, und Stoletti fragt: »Woher wissen Sie das?«
»Und vermutlich war sie nicht das erste Opfer.«
Niemand antwortet, zumindest nicht mit Worten. Allerdings sprechen ihre Mienen Bände. Die Detectives werfen sich einen Blick zu.
»Sie ist das zweite Opfer«, sage ich. »Es hat bereits eines gegeben. Richtig?«
»Richtig.« McDermott nickt. »Und welche Mordwaffe?«
»Ein Eispickel«, sage ich.
Sein Gesichtsausdruck bestätigt mir, dass ich recht habe. »Woher, zum Teufel …«, murmelt er.
Carolyn drängt sich zwischen die beiden Detectives. »Ist das ein weiterer Song, Paul?«
Ich erhebe mich und blicke zurück ins Bad. Mein Herz hämmert wie wild gegen meinen Brustkasten.
»Der gleiche Song«, antworte ich. »Aber die zweite Strophe.«
Das Volk gegen Terrance Demetrius Burgos Fall Nr. 89-CR-31003
August 1989
Der Stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Paul Riley schob die Kassette in das Abspielgerät, drückte den Startknopf und las den Songtext mit, der in großen Buchstaben auf einer Tafel stand, die in einem der Räume des Burgos-Sonderkommandos zurückgeblieben war. Tyler Skye, der Sänger von Torcher, plärrte über wütende Gitarrenakkorde hinweg etwas, das er selbst als zweite Strophe des Songs »Someone« bezeichnete.
A second verse a wretched curse a fate no worse a hate perverse
Eine zweite Strophe, ein elender Fluch, ein kaum minder schreckliches Schicksal und abartiger Hass. Nach dieser Einleitung wurden Gitarre und Schlagzeug noch lauter, während Tyler Skyes Stimme förmlich explodierte und eine Litanei brutaler Textzeilen herausbrüllte, die kein menschliches Ohr mehr verstehen konnte.
An ice pick a nice trick praying that he dies quick
A switchblade oughta be great for lobotomy insane a call to me
Precision blade incisions made a closer shave a bloody spray
Trim-Meter chain saw cheerleader’s brain’s all paint on the stained wall
Machete in the head he isn’t ready to be dead I can’t explain why I’m in pain, why I’m unable to refrain from getting somebody’s brain
Ditchin’ life kitchen knife no more itch and no more strife no more hate I passed the test
And on seventh day I rest
Der Text der zweiten Strophe stand der ersten an Grausamkeit in nichts nach. Ein Eispickel, ein netter Trick, er fleht darum, dass er schnell stirbt. Ein Schnappmesser, denn nichts ist besser für eine Lobotomie, wie verrückt muss man sein, mich um Rettung anzuflehn. Eine rasiermesserscharfe Klinge verwandelt eine gründliche Rasur in ein Blutbad. Eine Trim-Meter-Kettensäge verteilt das Hirn des Cheerleadergirls wie Farbe auf besudelte Wände. Eine Machete im Kopf, obwohl er zum Sterben nicht bereit ist, keine Ahnung, warum es mir wehtut, warum ich’s nicht lassen kann, anderen Leuten den Schädel zu spalten. Setz dem Leben ein Ende, mit einem Küchenmesser, kein Schmerz mehr, keine Sorgen und kein Hass. Ich hab den Test bestanden. Und ruhe am siebten Tag.
Und ebenso wie die erste Strophe endete auch die zweite mit einem Selbstmord. Kein Schmerz und keine Sorgen mehr, weil er sich selbst getötet hat. Das unterstützte zusätzlich die Deutung, dass es sich bei dem letzten Mord in der ersten Strophe – schieb’s zwischen die Zähne und drück fröhlich ab – um einen Selbstmord handelte. Allerdings hatte Burgos sich nicht selbst getötet. An seiner Stelle hatte Cassie sterben müssen, und als sie ihn verhaftet hatten, war er vermutlich gerade dabei, sich an die Umsetzung der zweiten Strophe machen. Schließlich hatten sie sämtliche darin beschriebenen Waffen in Burgos’ Keller gefunden – den Eispickel, das Springmesser, die Kettensäge, die Machete und das Küchenmesser. Alle neu und unbenutzt. Es war keine Spur von Blut oder etwas anderem darauf zu entdecken gewesen.
Sie hatten ihn gefasst, bevor er den Text der zweiten Strophe in die Tat umsetzen konnte.
Joel Lightner betrat den Raum, während Riley noch an dem langen Tisch hockte, auf die Tafel mit dem Text starrte und der Musik lauschte. Lightner zog die Augenbrauen hoch, um seine Meinung zu dem Text zu bekunden. Er unterschied sich nicht sonderlich von dem der ersten Strophe. Gemeinsam
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