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In kalter Absicht

In kalter Absicht

Titel: In kalter Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Holzfabrik wohl kaum etwas erwähnen, aber Karsten fühlte sich trotzdem nicht wohl in seiner Haut. Nachdem er schon schriftlich wegen Diebstahls abgemahnt worden war, würde das hier sicher ausreichen, um ihn zu feuern. Sich krank zu melden und dann zum Einkaufen nach Elverum zu fahren war nicht gerade clever gewesen. Natürlich könnte er einen Arztbesuch vorschützen, aber es war dem Chef zuzutrauen, daß er Beweise verlangte. Der Chef war der totale Arsch, der würde alles tun, um ihn loszuwerden.
    Er fuhr jetzt hundertzehn, und Karsten Åsli fluchte langsam, als er vom Gas ging und sein Tempo drosselte.
    Vielleicht sollte er ganz einfach umkehren.
    »Der Verdächtige fährt einen dunkelblauen Mazda 323«, sagte der Hubschrauberpilot laut und deutlich, seine Stimme hatte einen Unterton von tiefer Dramatik. »Kennzeichen weiterhin unbekannt. Sollen wir ihm folgen? Ich wiederhole: Sollen wir ihm folgen?«
    »Auf Abstand«, kam es knackend aus seinen Kopfhörern. »Folgt ihm auf Abstand. Drei Wagen sind unterwegs.«
    »Verstanden«, sagte der Pilot und zog den Hubschrauber in einem Bogen über die Baumwipfel, bevor er auf die Höhe von siebenhundert Metern stieg.
    Dabei ließ er den Wagen nicht aus den Augen.

64
    Inger Johanne saß bereits seit einer Viertelstunde im Grand Café. Ihr grauste, und sie versuchte, nicht an ihren Nägeln zu kauen. Ein Finger blutete schon. Um Punkt drei betrat die alte Dame das Restaurant. Sie hob abwehrend die Hand, als der Ober auf sie zutrat, und schaute sich um. Inger Johanne erhob sich halb und winkte.
    Unni Kongsbakken kam auf sie zu, hochgewachsen und breit. Sie trug eine bunte, gewebte Jacke und einen knöchellangen Rock. Inger Johanne konnte gerade noch ein Paar solide dunkle Schnürschuhe registrieren, bevor die alte Dame an den Tisch trat.
    »Sie sind also Inger Johanne Vik. Guten Tag.«
    Die Hand war schwer und trocken. Frau Kongsbakken setzte sich. Auf den ersten Blick war es unvorstellbar, daß diese Frau über achtzig sein sollte. Ihre Bewegungen waren ruhig, und ihre Hände lagen gelassen vor ihr auf dem Tisch. Erst als Inger Johanne sie genauer musterte, sah sie, daß die Augen die blasse Mattigkeit hatten, die sich erst einstellt, wenn ein Mensch so alt ist, daß ihn im Grunde nichts mehr überraschen kann.
    »Ich danke Ihnen, daß Sie bereit waren, sich mit mir zu treffen«, sagte Unni Kongsbakken ruhig.
    »Ich bitte Sie, das ist doch selbstverständlich«, sagte Inger Johanne und leerte ihr Wasserglas. »Wollen wir etwas zu essen bestellen?«
    »Für mich bitte nur eine Tasse Kaffee. Ich bin von der Reise ein wenig erschöpft.«
    »Zweimal Kaffee«, sagte Inger Johanne zu dem Kellner und hoffte, daß er nicht auf dem Verzehrzwang bestehen würde.
    »Erzählen Sie mir von sich«, sagte Unni Kongsbakken. »Ehe ich Ihnen meine Geschichte erzähle, möchte ich gern ein bißchen mehr darüber hören, wer und was Sie sind. Astor und Geir waren ein wenig …«
    Sie lächelte kurz.
    »… unpräzise, würde ich sagen.«
    »Ich heiße also Inger Johanne Vik«, erwiderte Inger Johanne. »Und ich arbeite an der Universität.«
    In Yngvar Stubøs Büro lief der Fernseher. Sigmund Berli und eine Sekretärin standen gleich bei der Tür und schauten zu. Yngvar hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt und nuckelte an einer kalten Zigarre. Bis Dienstschluß war es noch lange hin. Er brauchte etwas zu beißen. Etwas Kalorienfreies. Er spuckte trokkenen Tabak aus und fühlte sich wie ausgehungert.
    »Das ist ziemlich amerikanisch«, sagte Sigmund und schüttelte den Kopf. »Vom Fernsehen übertragene Menschenjagd. Grotesk. Können wir wirklich nichts tun, um das zu verhindern?«
    »Nicht mehr, als wir schon unternommen haben«, erwiderte Yngvar.
    Er mußte einfach etwas essen. Obwohl er erst vor einer Stunde zwei große Brötchen mit Salami und Tomate verschlungen hatte, brannte sein Magen vor Hunger.
    »Das wird schrecklich enden«, sagte die Sekretärin und zeigte auf den Bildschirm. »Dieser brutale Fahrstil mit der ganzen Presse im Schlepptau … das kann doch nicht gutgehen!«
    Die Hubschrauberbilder von TV 2 zeigten, daß der Mazda sein Tempo gesteigert hatte. In einer Kurve geriet sein Heck übel ins Schleudern, und die Stimme des Sprechers schlug ins Falsett um.
    »Laffen Sørnes hat uns entdeckt«, heulte der Mann begeistert.
    »Sowie fünf Streifenwagen und zwei Bärenjäger«, murmelte Sigmund Berli. »Der Kerl muß doch außer sich vor Angst sein.«
    Wieder

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