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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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sicher. Bei früheren Besuchen hatte er einen Blick in die Bergwerkstollen von Trust Arktikugol werfen können. Obwohl offiziell niemand etwas sagte und die Arbeitsaufsicht nur über eindeutige Verletzungen der norwegischen Arbeitsschutzgesetze berichtete, war es offensichtlich, dass ein norwegisches Bergwerk niemals auf diese Weise geführt werden würde. Es bedurfte nicht viel, um eine Explosion in den Stollen auszulösen, die die richtige Mischung aus Sauerstoff und Methan enthielten – dieses tödliche, aber unsichtbare und geruchlose Gas, das die Kohle freisetzte. Der geringste Funke konnte eine Sprengung auslösen. Sogar in vorbildlich geleiteten Kohleminen war ein derartiges Unglück denkbar. Nein, er fühlte sich dort, wo er saß, keineswegs sicher.
    »Sie haben gefragt, wer der Tote war … als Mensch?« Der Dolmetscher lehnte sich zurück, zog ein Knie aufs Bett und sah aus, als hätte er vor, noch eine Weile im Hotel zu bleiben.
    Hatte Knut danach gefragt? »Jedenfalls würde ich gern ein paar Worte mit der Witwe des Toten wechseln. Ich möchte sie fragen, wann der Verstorbene sich entschloss, zum Bauplatz zurückzugehen, und wer es eventuell gehört haben könnte; solche Fragen.«
    »Die Witwe? Nein, das ist unmöglich. Sie steht unter Schock und ist vollkommen außer sich. Außerdem ist sie ständig in der Kapelle am Sarg ihres Mannes. Dort sollte man sie in Ruhe lassen. Wir wissen noch nicht, was wir tun sollen … sie arbeitet hier in Barentsburg als Touristenführerin. Im Pomor-Museum, dem Museum über die ersten russischen Händler in der Arktis. Wahrscheinlich wird sie aufs Festland zurückkehren wollen, aber leider hat sie keine lebenden Verwandten mehr. Vanjas Familie will nichts von ihr wissen … eine schwierige Situation.«
    »Ich dachte, der Verstorbene soll morgen früh nach Longyearbyen gebracht werden; er ist doch schon dafür … hergerichtet worden?« Knut merkte, dass er die Kunstpausen des Dolmetschers vor jedem einzelnen Wort nachahmte. Dadurch bekamen sie eine rätselhafte Doppelbedeutung, die nicht immer beabsichtigt war. Ein feines Lächeln, das den Dolmetscher irritierte, ließ sich nicht vermeiden.
    »Lachen Sie über mich? Wir Slawen sind durchaus ein wenig anders als ihr Westeuropäer. Wir haben mehr Gefühl, nehmen die Sorgen schwerer. Wir lieben unsere Familie und Russland, unser Vaterland. Wir wissen genau, dass ihr hier in Spitzbergen auf uns Russen herabseht, als wären wir nicht ebenso gut wir ihr Norweger. Aber wir haben die gleichen Rechte. Kommt nur mit euren Gesetzen und Arbeitsvorschriften …« Der russische Akzent verstärkte sich, Knut hatte Schwierigkeiten, den Dolmetscher zu verstehen. »Hier in Barentsburg arbeiten wir ebenso gern wie ihr bei euch in Longyearbyen. Ich kann Ihnen vom Grubenunglück 1997 erzählen, über das in den norwegischen Zeitungen nicht sonderlich ausführlich berichtet wurde … Sie werden die Geschichte eines wahren Helden hören.«
    Knut merkte, dass der Dolmetscher inzwischen ziemlich betrunken war. Er selbst hatte höchstens ein paar Gläser getrunken, auf keinen Fall mehr als drei. Aber die Wodkaflasche auf dem Tisch war fast leer. Der Dolmetscher folgte seinem Blick, stieß die Flasche vom Tisch und stellte sie an einen der Bettpfosten. Er zog eine weitere Flasche aus seiner geräumigen Jackentasche, eine andere Sorte. Selbstverständlich musste Knut ein Glas probieren, alles andere wäre eine Beleidigung gewesen. Sie tranken auf ihre Zusammenarbeit und die Freundschaft zwischen Russen und Norwegern auf Spitzbergen. Knut konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt etwas derart Abscheuliches getrunken hatte.
    »Pfefferwodka«, erklärte der Dolmetscher und nickte.
    »Das Grubenunglück am 23. September 1997.« Der Dolmetscher lehnte sich zurück und legte den Kopf an die Wand, drehte das leere Wodkaglas zwischen den Fingern, sah an die Decke. »Sie sind ein Jahr vorher nach Spitzbergen gekommen, nicht wahr? Aber ich vermute, Sie erinnern sich an diesen Tag im September nicht so gut wie an das andere Unglücksdatum ein Jahr zuvor – den 29. August 1996.«
    Knut nickte, er gab zu, dass das Unglück am Operafjellet Eindruck auf ihn gemacht hatte. Der Absturz einer Tupolev 154 auf dem Weg von Moskau nach Longyearbyen hatte sämtliche norwegische Medien beschäftigt – von dem Moment an, als das Flugzeug kurz vor der Landung vom Radar verschwand, bis zu dem Zeitpunkt, als es hoch oben am Rand des Plateaus gefunden wurde. Keiner der

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