In Nomine Mortis
würde?
Oh, wie grausam wurde mit mir
gespielt! Kaum war ich aus meiner Zelle getaumelt, unbeholfen wie ein
Kind, denn meine Gelenke waren steif und meine Glieder schwach, da
erblickte ich mit in der ungewohnten Helligkeit blinzelnden Augen am gegenüberliegenden
Ende des Ganges eine Gefangene, die in eine andere Zelle geleitet wurde.
Für einen Moment
glaubte, ja hoffte ich geradezu, dass Satan meinen Sinnen einen bösen
Streich gespielt hatte, doch in meinem tiefsten Innern wusste ich sofort,
dass ich mich nicht getäuscht hatte. Es war Klara Helmstede, die dort
in eine Zelle geworfen wurde. Die Frau des Reeders hatte mich nicht
gesehen. Ich stand wie betäubt, bis mich der Folterknecht mit einem
groben Stoß vorantrieb. Klara im Kerker der Inquisition! Oh HERR,
wie lässt DU andere für meine Sünden büßen!
Jacquette, die mir vertraut hatte, hatte mit einem tödlichen
Messerstich für ihre Rolle in diesem finsteren Drama bezahlt - und
ich hatte sie nicht schützen können. Klara wartete nun in einem
dunklen Verlies auf das Urteil der Inquisition - und ich war es, der sie
auf jenen schrecklichen Weg gestoßen hatte. Dann erkannte ich die
heimtückische Absicht hinter jenem kurzen Blick, der mir auf Klara
Helmstede vergönnt gewesen war: Der Folterknecht hatte mir nicht zufällig
mit Hohnworten klar gemacht, dass jener Tag Mariae Himmelfahrt war. Jemand
hatte es ihm aufgetragen, jemand, der genau wusste, dass die »Kreuz
der Trave« zu diesem Datum abfahren sollte. Dieser jemand hatte es
so eingerichtet, dass ich Klara Helmstede erblicken, jedoch nicht mit ihr
sprechen konnte. Eine neue Folter, ganz ohne Blutvergießen.
Zutiefst betrübt ließ
ich mich vorwärtsstoßen. Was vermochte ich noch zu tun? In
jenem Augenblick ahnte ich, dass ich Klara Helmstede, die mir das Paradies
auf Erden geöffnet hatte, in diesem Leben niemals wiedersehen würde.
Ich wehrte mich nicht, als
man mich in der Folterkammer auf die Streckbank warf und meine Arme und
Beine in Fesseln legte. Noch waren die Stricke recht locker, ich konnte
meine Glieder um eine Winzigkeit bewegen und ohne Anspannung atmen. Aus
den Augenwinkeln erblickte ich den Bader Nicolas Garmel, der an einer Säule
lehnte. Er sah müde und furchtsam aus und wirkte so, als würde
er sich am liebsten in den kalten Stein der Säule drücken, um
darin zu verschwinden.
Ich wollte ihn nicht gefährden,
indem ich dem Folterknecht offenbarte, wie gut ich den Bader kannte. Also
starrte ich nur kurz zu ihm hinüber, doch gab ich kein Zeichen der
Begrüßung, noch irgendeinen Laut von mir. Auch er blieb stumm
und wandte rasch sein Gesicht ab.
Da betrat der Mann die
Folterkammer, dessen Anblick ich fürchtete und doch auch
herbeigesehnt hatte, mein Verhängnis und meine Erlösung in einer
Person: Meister Philippe de Touloubre, der oberste Inquisitor von Paris.
*
Philippe de Touloubre
bedachte mich mit einem gütigen und zugleich mitleidigen Blick.
»Bruder Ranulf, wie tut es meinem Herzen weh, dich so vor mir zu
sehen«, hub er an.
Ich erwiderte nichts, sah
jedoch, dass er keinen zweiten Mönch mitgebracht hatte. Niemand würde
niederschreiben, was wir uns zu sagen hatten.
»Du hättest ein
guter Inquisitor werden können«, fuhr Meister Philippe fort,
»denn klug bist du und belesen. Neugierde treibt dich. Doch du bist
zu schwach für das heilige Amt. Schwach vor allem im Fleisch. So bist
du eine Schande für deinen Orden - und eine Gefahr für die
Inquisition.«
»Klara Helmstede ist
unschuldig!«, rief ich verzweifelt, denn ich fürchtete, dass er
mir vor allem diese Sünde der Wollust vorhalten wollte. »Die
Schuld liegt allein bei mir. Ich habe sie verführt.« Der
Inquisitor lachte. »Als ob ich dir das glauben würde! Tunc Iesus ductus est in
desertum ab Spiritu ut temptaretur a diabolo.« Dann hob er beschwichtigend die
Hand.
»Sei unbesorgt um das
Weib, das dich vom Pfad der Tugend abbrachte«, fuhr er dann fort und
ich meinte, versteckten Spott in seiner Stimme zu vernehmen, obwohl seine
Miene noch immer freundlich war und gütig.
»Klara Helmstede habe
ich nur in den Kerker führen lassen, um ihren Willen zu brechen
— was auch schon geschehen ist. Kein Folterknecht muss Hand an sie
legen. Ihr sollte hier nur eindringlich gezeigt werden, dass die
Inquisition um ihren Ehebruch weiß und dass
Weitere Kostenlose Bücher