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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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nicht gelesen haben«, sagte Meister Philippe. »Aber vielleicht
     kannst du uns wenigstens sagen, wie der Mann ausgesehen hat, der es aus
     dem Beutel zog?«
    La Pigeonette blickte zu
     Boden. »Ich habe nicht viel gesehen«, murmelte sie. »Er
     hatte einen Umhang an und war ziemlich groß, glaube ich, vielleicht
     schien er mir aber auch nur wegen der Düsternis so groß zu
     sein. In sein Gesicht konnte ich nicht blicken.« Der Inquisitor
     nickte. »Und was geschah weiter?«, fragte er. »Der Mann
     muss mich gehört haben, als ich über das Pflaster der Gasse
     kroch«, sagte Jacquette leise. »Er richtete sich auf und
     sprang von dem Körper weg. Jetzt hat er mich entdeckt und wird auch
     mich erschlagend, dachte ich. Und vor Schmerzen und Schreck wurde ich ohnmächtig.
     Erst die beiden Sergeanten haben mich«, sie zögerte erneut,
     »geweckt«, vollendete sie schließlich und warf den
     beiden Männern einen wütenden Blick zu.
    »GOTT hat dich beschützt,
     obwohl du eine Sünderin bist«, sagte Meister Philippe. »Denn
     der Unbekannte muss geflohen sein, als er dich hörte. So aber wirst
     du, obwohl die niedrigste der Frauen, doch zum Werkzeug SEINER Rache. Denn
     immerhin hast du uns auf die erste Spur gebracht. Ich werde dich nicht
     nach Orleans schicken.« Jacquette fiel wieder auf die Knie und
     murmelte Dankesworte, doch er hob abwehrend die Hände.
    »Aber ich brauche dich
     vielleicht noch«, sagte Meister Philippe. Plötzlich klang seine
     Stimme eisig. »Führt sie in den Kerker des Grand Châtelet,
     bis ich nach ihr schicke«, befahl er den beiden Sergeanten.
     Jacquette starrte uns einen Augenblick lang zornerfüllt an, dann
     spuckte sie uns vor die Füße. Ruppig riss der dickere der
     beiden Sergeanten an ihrem Strick und schleifte sie fort, während
     sich sein Kamerad beflissen verbeugte. »Sollen wir sie peitschen
     lassen, Herr?«, fragte er.
    Meister Philippe machte eine
     Geste, als wolle er Fliegen verscheuchen. »Sorge mit Herrn Garmel
     dafür, dass der Körper unseres Mitbruders mit der Ehre, die ihm
     gebührt, in unser Kloster gebracht wird. Ich habe nun nachzudenken!«
    »Eine Gestalt, verhüllt
     von einem dunklen Mantel, groß oder vielleicht auch nicht, beugt
     sich über den toten Mönch und raubt ihm ein Buch, in dem etwas
     uns Unbekanntes steht«, murmelte Meister Philippe. »Nach
     dieser Beschreibung könnte fast jeder Mann in Paris der Mörder
     gewesen sein«, erwiderte ich, ohne große Hoffnung in der
     Stimme.
    Der Inquisitor sah mich an
     und lächelte dünn. »Ne ergo timueritis eos
     nihil enim opertum quod non revelabitur et occultum quod non scietur. Du glaubst, dass es ein Mann ist,
     doch tatsächlich hat die Dirne kaum mehr als eine Gestalt gesehen,
     verborgen unter einem Gewand. Es kann, selbst wenn es uns wenig
     wahrscheinlich vorkommen mag, auch eine Frau gewesen sein.«
    Ich hob die Hände.
     »Aber dann kann es ja fast jeder getan haben! Wie sollen wir die
     Seelen aller zweihunderttausend guten Bürger von Paris prüfen?«
    Meister Philippe lachte
     jetzt. »Der HERR hat uns eine noch kompliziertere Aufgabe gestellt,
     als du annimmst, mein junger, ehrgeiziger, jedoch leicht zu entmutigender
     Bruder: Jacquette hat nur gesehen, dass sich die Gestalt über den
     Toten gebeugt hat. Sie hat nicht gesehen, dass er ihn auch ermordete. Mag
     sein, dass Heinrich von Lübeck schon gefallen war, als jener
     Unbekannte sich ihm näherte. Ich glaube außerdem, dass uns das
     Täubchen nicht alles gezwitschert hat, was es in jener Nacht gesehen
     hat. Jacquette verschweigt uns etwas, ich spüre es. Deshalb ließ
     ich sie in den Kerker bringen. Ein oder zwei Tage bei Wasser und Brot
     reichen nach meiner Erfahrung gemeinhin aus, um der Erinnerung auf die Sprünge
     zu helfen. Mag sein, dass sie uns dann noch etwas erzählen kann, das
     uns weiterhilft.«
    »Doch zunächst
     haben wir nur das hier«, antwortete ich und machte eine vage Geste
     hin zu der Gestalt, die von zwei hergerufenen Dienern des Nicolas Garmel
     gerade verhüllt und auf eine Bahre gelegt wurde. Ein dritter löste
     den Geldbeutel und brachte ihn zu uns. Er überreichte ihn unter
     vielen Verbeugungen und verschwand schweigend.
    Wäre ich ein wenig
     erfahrener in solchen Dingen gewesen, ich hätte mich gewundert, warum
     sich um den Toten keine Neugierigen und Gaffer gesammelt hatten, wo doch
     selbst jeder sterbende Straßenköter auf den Gassen von Paris
     die Spötter und die

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