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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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nur noch einen Mann vor: den Kapitän - und der lag im
     Sterben. Es war Otto Helmstede, der ältere Bruder meines Herrn. Sonst
     war keine Seele an Bord zu finden, nicht einmal die Bordkatze.
    Herr Helmstede weilte in
     jenen Tagen in Hamburg, sodass er seines Bruders nicht mehr ansichtig
     wurde, so sehr er sich auch eilte, denn dieser starb noch an demselben
     Tag, da die ›Kreuz der Trave‹ Lübeck erreichte. Nur die
     Gattin meines Reeders war zugegen. Sie hat die Männer befohlen, die
     an jenem Tag an Bord der Kogge gingen, und alles auf das Beste und Wohlgefälligste
     unternommen.«
    »Was hat der sterbende
     Kapitän erzählt?«, unterbrach Meister Philippe den Bericht
     des Steuermannes.
    Gernot kratzte sich am Kopf.
     »Das weiß niemand«, antwortete er. »Oder besser
     gesagt: Das weiß nur einer. Ein Mönch eilte mit an Bord, ein
     alter Freund des Kapitäns seit Kindesbeinen und dessen Beichtvater.
     Er war bei ihm, als der Kapitän im Achterkastell seines Schiffes
     verschied. Gut möglich, dass der Mönch etwas von den
     schrecklichen Dingen erfahren hat, die an Bord vorgefallen sein müssen.
     Der Kapitän wollte sicherlich seine Seele erleichtern, bevor er vor
     SEINEN Richterstuhl trat.
    Doch der Mönch hat
     niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen verraten, selbst Herrn
     Helmstede nicht.«
    »Wie hieß der Mönch?«,
     fragte Philippe de Touloubre. »Das weiß ich nicht«, gab
     Gernot zur Antwort. »Er trug einen Habit in Schwarz und Weiß
     wie Ihr, und er war dünn und kahl. Ich sah ihn manchmal, wenn ich im
     Hause der Helmstedes zu tun hatte, doch sprach ich nie mit ihm.«
    »Trug er ein Sehglas
     vor den Augen?«, wollte Meister Philippe wissen. Gernot sah den
     Inquisitor überrascht, dann erschrocken an. »Ja, in der Tat,
     manchmal setzte er sich Gläser auf den Nasenrücken und wir
     Seeleute lachten darüber. Woher wisst Ihr das?«
    »Der HERR hat manche
     Menschen auf diese Welt befohlen, um Fragen zu stellen, und andere, um
     diese zu beantworten. Wir wollen doch nicht gegen SEINE Ordnung verstoßen«,
     gab Meister Philippe zur Antwort. »Was geschah nach dem Tod des
     Kapitäns?« Gernot schluckte. »Niemand wollte an Bord der
     ›Kreuz der Trave‹ gehen, sie galt fortan als verfluchtes
     Schiff. Auch mein Herr betrat sie nicht. Sie lag an einem verlassenen
     Hafenkai und ich glaube, dass selbst die Ratten, die doch sonst jeden
     Segler heimsuchen, sie mieden. Dann, wohl einige Wochen später,
     entschied Herr Helmstede plötzlich, mit der ›Kreuz der Trave‹
     nach Paris zu segeln. Das Volk von Lübeck verwunderte sich. Denn
     erstens war noch nie eine Kogge der Hansestadt bis dorthin gefahren.
     Zweitens war es zu jener Zeit Winter - die Zeit, in der Schiffe und
     Seeleute von Gesetzes wegen im Hafen bleiben sollen. Und drittens fragte
     sich jeder, warum er ausgerechnet mit diesem verfluchten Segler fahren
     wollte. Doch der Mönch, der alte Beichtvater des Kapitäns, hielt
     an Bord der ›Kreuz der Trave‹ eine Messe ab, um das Böse
     aus ihr zu vertreiben. Da Herr Helmstede doppelte Heuer zahlte und während
     des Winters sowieso keine andere Anstellung zu finden war, gab es dann
     auch genügend Männer, die auf der Kogge anheuerten.«
    »Und einen Steuermann«,
     ergänzte Meister Philippe. Gernot blickte zu Boden. »Ja«,
     murmelte er, »denn ich hatte Schulden bei einem jüdischen
     Geldverleiher. So ging ich denn an Bord. Die Fahrt gen Paris war, wenn
     auch langwierig, so doch nicht gefährlich. Aber trotzdem«, er zögerte
     lange, »trotzdem glaube ich, dass ich nachts Stimmen höre: Die
     verlorenen Seelen der Seeleute rufen mich. Dieses Schiff ist verflucht.
     Ich wünschte, oh Vater, dass ich von Bord gelangen könnte, doch
     ich wage nicht zu gehen.«
    »Was glaubst du denn,
     was mit den Männern auf der Kogge geschehen ist?«, fragte der
     Inquisitor.   
    Gernot schüttelte den
     Kopf. »Es muss etwas Schreckliches gewesen sein, das spüre ich.
     Doch ich weiß nicht, was es gewesen sein könnte.«
    »Redest du nicht mit
     den anderen Matrosen darüber?«
    Der Steuermann schüttelte
     den Kopf. »Niemand wollte in den ersten Tagen unserer Reise darüber
     reden. Und nun, da wir so glücklich in Paris angekommen sind, glauben
     die Männer, dass die Predigt des Mönches das Böse tatsächlich
     aus den Planken der ›Kreuz der Trave‹ vertrieben habe. Sie
     machen sich keine Sorgen mehr.« Meister Philippe legte ihm begütigend
     die Hand auf den

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